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„Mission: Volksfest-Rettung“ auf der Schliem

Zugmaschine verliert kompletten Autoscooter - sechsstündige, aufwändige und kraftzehrende Bergungsaktion

Katzenelnbogen | 19. August 2025 | (ww). An diesem Samstag (23. August) um 18 Uhr wird der viertägige Bartholomäusmarkt in Katzenelnbogen mit Böllerschüssen eröffnet. Gestern Abend gegen 18 Uhr bekam die Vorfreude auf das Einricher Heimatfest allerdings erstmal einen deutlichen Knacks: der Autoscooter der Firma Kreuser aus Gladenbach bei Marburg, das Herzstück des Kirmesplatzes, hatte nach gut einhundert Kilometern Anfahrt zum Aufbau kurz vor Katzenelnbogen auf der „Schliem“ (B274 zwischen Katzenelnbogen und Zollhaus) einen Unfall – das Volksfestvergnügen hing sechs Stunden lang am seidenen Faden.   Die ersten Meldungen über die – wieder einmal – gesperrte „Schliem“ lauten noch, ein LKW habe Ladung verloren. Kurze Zeit später ist klar: der Sattel-Auflieger mit dem 26-Tonnen schweren und quasi nagelneuen Autoscooter „Hip-Hop Zone“ ist in einer Linkskurve von der Zugmaschine abgerissen, hat rund 50 Meter Leitplanke überfahren und teilweise mitgerissen. Er steht mit leichter Schlagseite von der Leitplanke aufgespießt im Graben neben der Fahrbahn und liegt im vorderen Bereich auf dem Boden auf. Die so genannten Kellerkästen unter dem Fahrzeug sind eindeutig kaputt, der Inhalt über die „Schliem“ verstreut. Besitzer Herbert Kreuser hat den Transport mit dem Kassen- und Chaisenwagen direkt hinter dem Mittelbau gefahren und den Einschlag der Existenz seiner Familie in der Leitplanke im Straßengraben so unmittelbar miterlebt. Ursache? Unbekannt. „Fehlerhafte Ladungssicherung lautet der Vorhalt offiziell. Das kann technische Ursachen haben oder Zapfen war nicht ganz in der Kupplung eingerastet. Das ist Gegenstand der Ermittlungen, die in einem solchen Fall, zum Glück ohne Verletzte, auch ohne Gutachter geführt werden“, erklärt ein Beamter der Polizei aus Diez. Die Diezer Polizei verbringt zurzeit bei den Kontrollen des Wochenend-Fahrverbots sehr viel Zeit auf der „Schliem“. Zu dem Verbot hatten zahlreiche schwere Motorradunfälle geführt – ein Unfall mit einem Autoscooter ist aber auch für den Beamten und seine Kollegin eine „Premiere“. Apropos „Premiere“: Der Scooter ist eine der eher seltenen Nach-Corona-Neu-Investitionen in der Branche. Seine traditionell übliche Einsegnung durch einen Schaustellerpfarrer erfolgte auf dem Premierenplatz Anfang Juni in Frankenberg /Eder. Der Unfall passierte nun auf dem Weg zu seinem erst fünften Platz – das Gastspiel im Einrich war aber gestern Abend lange mit vielen Fragezeichen versehen – eine wirkliche Schadensdiagnose konnte aber an der Unfallstelle nicht erfolgen, und hing vor allem davon ab, ob es gelingen würde ein Umkippen des Mittelbaus, auf dem die gesamte Scooterhalle inklusive Bodenplatte zusammengeklappt ist, bei dem Bergeversuch zu verhindern. Der große Höhenunterschied im Graben neben der Straße, der lockere Boden und die verknäulte und im Fahrzeugunterbau mehrfach verdrehte Leitplanke stellten die Helfer vor eine große und im Falle des Scheiterns rund 450.000 Euro teure Aufgabe. Was dann begann war eine wirklich Beispielhafte Zusammenarbeit der Katzenelnbogener Feuerwehr, des Bergungsgunternehmens Müller aus der Niederlassung Limburg und der betroffenen Schaustellerfamilie, verstärkt durch weitere Familienmitglieder aus teilweise mehreren hundert Kilometern Umfeld, Freunden und Bekannten und Kollegen – die „Mission: Volksfest-Rettung“. Sechs Stunden lang kämpften die vereinten Helfer mit Fach- und Sachkenntnis, jeder Menge Improvisationstalent und hohem körperlichen Einsatz. Hilfreich dabei waren die elektrisch ausfahrbaren Stützen, mit denen der Scooter im Normalfall zum Aufbau auf dem Festplatz vom Fahrgestell gehoben wird. Die wurden mit einem Feuerwehraggregat mit Strom versorgt und wechselweise mit Holzverbau dazu eingesetzt den Auflieger nach und nach in eine stabile Position zu bringen. Dann sollte der Berge-LKW mit einer verlängerten Sattelkupplung schräg unter das Fahrzeug fahren, um es aus dem Graben zu ziehen, nachdem dort auch noch eine provisorische Fahrbahn für die bergseitigen Räder mit Leitplanken und Holz erstellt wurde. Als schwieriger Gegner entpuppte sich dabei die stark deformierte und verkeilte Leitplanke, die die Feuerwehr Katzenelnbogen schließlich mit schwerem Gerät und viel Muskelkraft besiegte. Das letzte Hindernis war gegen 23.20 Uhr erreicht: das Andocken des Bergefahrzeugs an den stabil aufgebockten und waagerecht ausgerichteten Auflieger. Zwischen der verbliebenen Leitplanke auf der Talseite und dem Auflieger waren einfach einige Zentimeter zu wenig Platz um die Vorrichtung mit der Kupplung für den Königszapfen mit dem schweren Berge-LKW am vorderen, linken Stützpfosten rückwärts einzufahren. Die zündende Idee kam den improvisationsgewohnten Schaustellern: ein massives Kantholz, zwei Meter hinter dem elektrisch steuerbaren Pfosten positioniert sollte diesen kurzzeitig ergänzen, damit die Schlepp-Verbindung hergestellt werden kann. Das leider deutlich zu lange, stabile Kantholz stammte aus Schausteller-Beständen, die fehlende Motorsäge und den Bediener steuerte nochmal die Katzenelnbogener Feuerwehr bei und dann hieß es wirklich um 23:58 Uhr: der Auflieger steht wieder mit allen Rädern auf der Straße. Es folgte ein Konvoi von Schausteller-, Berge- und Feuerwehrfahrzeugen – begleitet und abgesichert von der Diezer Polizei – direkt zum eingemessenen Aufstellplatz auf dem Bartholomäusmarktgelände in Katzenelnbogen. Und von da kam auch soeben (und das ist auch der Grund für die, für uns ungewöhnlich späte Berichterstattung) die telefonische Bestätigung von Herbert Kreuser. „Am Scooter selbst ist kein Schaden entstanden, der Unterbau des Aufliegers mit den Kellerkästen ist komplett kaputt, es gibt kleinere Schäden, aber wir sind schon am Reparieren. Wir können zu 100 Prozent am Samstag mit dem Markt öffnen – da hatten wir wohl mehr Glück als Verstand!“, schließt er mit Humor. Eventuell hat aber auch der Segen von Schauerstellerpfarrer Volker Drewes auf dem Premierenplatz in Frankenberg sein Teil dazu beigetragen, dass es weder Verletzte noch massive Schäden gab.