Koblenz/Mittelrhein/Blackpool | 5. September 2024 | (ww). Eine ganze Menge Meisterschaften und Auftritte strukturieren den Terminkalender für die Tänzerinnen und Tänzer der Tanzfabrik Mittelrhein (TFM) aus Koblenz. Die Reise ins nordenglische Blackpool aber ist ein besonderes Ereignis: Zum dritten Mal nahm eine Gruppe der Streetdance-Talentschmiede von Gabriel Hermes an der Weltmeisterschaft der United Dance Organisation (UDO) teil – und kehrte mit einigen Trophäen und sogar einem Weltmeistertitel nach Koblenz zurück. „Ich bin einfach nur megastolz auf mein Team“, sagt der Coach und Choreograf aus Weißenthurm glücklich.
Die Veranstalter der Weltmeisterschaft, die UDO, gehört nach eigenen Angaben mit mehr als 85 000 Mitgliedern und 57 jährlichen Events zu den größten Streetdance-Organisationen der Welt. In Blackpool teilten sich 8000 Tänzer aus über 40 Ländern in Europa, Asien, Afrika oder auch den USA die Bühnen des berühmten Veranstaltungsortes, den Winter Gardens. Mit den zahlreichen, teils pompösen Sälen und Hallen zählen die Winter Gardens zu den kulturellen Hotspots in Nordengland. Nicht nur unter HipHop-Tänzern ist die Location bekannt. Auch das weltweit älteste Festival des Tanzsports, das Blackpool Dance Festival (seit 1920), sowie ein renommiertes Zauberkunst-Festival, ein Punk-Rock-Spektakel und viele weitere Konzerte, Musicals und Events finden dort jährlich statt. Musikgrößen wie Tom Gregory, Chris Lowe von den Pet Shop Boys oder The Cure-Gründer und -Sänger Robert Smith sind in Blackpool aufgewachsen. In diesen fünf Tagen im August aber dominieren die Tunes der britischen DJs, die die Tänzer auf und das Publikum vor den Bühnen in Wallung bringen. Während die Tanzfabrik in den beiden Vorjahren mit einer deutlich kleineren Gruppe am Start war, kämpfen dieses Mal mehr als 20 TFM-Streetdancer in verschiedenen Alters- und Leistungsklassen um Titel und Platzierungen.
Zum dritten Mal dabei: die zehnjährige Emma Pinger. Im Jahr 2022 hatte sie mit ihrem Bruder Theo in der Beginner-Klasse der Unter-Zehnjährigen im Duo den Weltmeistertitel geholt. Beide Kinder starten auch im Solo und mit ihrem Freund Tyler im Trio. Sie sind mittlerweile in der Alters- und Leistungsklasse aufgestiegen und sehen sich nun zwar mit etwas weniger, dafür aber erfahreneren Kontrahenten im Wettbewerb. Die drei Mädels von den PowerPuffGirls dagegen treten zum ersten Mal als Trio bei der UDO World an. Mit ihren 12, 13 und 14 Jahren gehören Ricci Cetto, Miah Bein und Maggie Dückmann zu den jüngsten Startern des Open-Turniers für 14 bis 18-Jährige. Mehr als 40 Trios und Quads aller Leistungsklassen messen sich hier. Ob die jungen WM-Neulinge überhaupt eine Chance haben? Die drei zucken mit den Schultern. Bei deutschen und europäischen Meisterschaften haben sie sich schon mehrere Erfolge ertanzt. „Unsere Choreo macht jedenfalls mega Spaß“, sagt Miah. Nervös sind sie trotzdem.Immer fünf Gruppen performen gleichzeitig. Etwa eine Minute haben die drei Zeit, die Wertungsrichter zu überzeugen. In der ersten Vorrunde schaffen sie es nicht, aber in der zweiten glänzen sie mit einem starken, energiegeladenen Durchgang. Sie tanzen sich ins Viertel-, und dann ins Halbfinale. Zuletzt stehen sie mit den sieben Besten des Turnieres im Rampenlicht. Ins Finale aber dürfen nur fünf Gruppen einziehen. Also wird ein Vorfinale getanzt – und hier reicht es nicht mehr für die PowerPuffGirls. Es bleibt bei Top 7.
Durchatmen ist auch nach den fünf Tanzrunden nicht drin. Sofort schließen sich die ersten Duo-Vorrunden an. „Wer hier mehrere Disziplinen tanzt, muss auf jeden Fall eine gute Kondition haben“, sagt Trainer Gabriel Hermes. Darauf hat er seine Schützlinge in langen, intensiven Trainingseinheiten vorbereitet. Auszeiten nehmen sie sich natürlich trotzdem. Auf dem Comedy-Carpet (eine Fläche, die buchstäblich mit Witzen gepflastert ist) vor dem legendären Blackpool-Tower oder am Strand wird gechillt und gejammt mit anderen Tanzgruppen aus Japan, Frankreich oder Südafrika. Aus den Bluetoothboxen hämmern HipHop-Beats gegen die 80er-Jahre-Hitliste der Vergnügungstempel auf den Seebrücken an. Die Zeit ist in dieser Stadt an einem seltsamen, undefinierbaren Punkt stehen geblieben. Während auf dem North Pier die viktorianische Geschichte des einst beliebten Seebades abblättert, lebt auf der goldenen Meile der Kitsch: Rummel, Neon-Reklamen und regenbogenfarbene Ponys, die pausbäckige Familien in Cinderella-Kutschen über die Seepromenade ziehen. Blackpool ist schon merkwürdig.
Doch die meisten UDO-Teilnehmer sind in den Winter Gardens auf ihrem ganz eigenen Planeten unterwegs. Sie atmen den Rhythmus ihrer Team-Choreografien oder lassen sich im Freestyle treiben. Die Solisten tanzen spontan auf die Musik, die die DJs aussuchen. Auch für Emma steht heute der Solo-Wettbewerb an. Immer acht bis zehn Kinder werden auf die Bühne gescheucht. In Emmas Alters- und Leistungsklasse sind es insgesamt an die 50. Souverän und unaufgeregt tanzt sie sich von Runde zu Runde – und wird schließlich mit dem Titel belohnt. „Emma ist Weltmeisterin!“ ruft Gabriel. Die TFM ist aus dem Häuschen.
Auch andere TFM-Tänzer sahnen Pokale ab. Jeff Rossingoll wird Vize-Meister im HipHop-Battle, mit seiner Schwester Laurence gewinnt er Bronze im Duo, genau wie Myles Mbiyu und Tyler Wambui. Ebenfalls Bronze holen Arda Okuklu und Gabriel selbst im Solo in ihren jeweiligen Klassen. Finalplatzierungen erreichen außerdem Emily Flöck und Liv Kuhn, Arda und Gabriel und Emma und Theo in ihren Duo-Klassen sowie Lara Matyschok und Myles in ihren Solo-Klassen.
Es ist am Ende die Mutter von Theo und Emma, Clarence Pinger, die den Erfolg der Tanzfabrik Mittelrhein auf den Punkt bringt: „Es ist nicht nur die Leistung von einem einzelnen“, sagt sie. „Es ist der Trainer, die Familie, die Freunde, das Team. Das alles ist die TFM. Das sind wir.“
Zur TFM
Im Turnierteam Tanzfabrik Mittelrhein vereint Coach und Choreograf Gabriel Hermes aus Weißenthurm junge Nachwuchstalente aus seinen Kursen und Workshops, die er unter anderem bei der TGC Redoute, dem TV Heddesdorf oder dem FV Daufenbach gibt. Beim Extra-Training werden jene Kinder und Jugendlichen gefördert, die Talent, Zeit und obendrein Lust haben, an Meisterschaften teilzunehmen. Mehr als 50 Tänzerinnen und Tänzer aus der Region Koblenz, Neuwied, Westerwald, Rhein-Lahn und darüber hinaus gehören aktuell dazu.