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Gegen das Vergessen: Erinnern vor Ort macht Schicksale greifbar

Erste Gedenkstättenreise führt Präsident und Vizepräsidenten des Landtags zu beeindruckenden Projekten nach Bad Ems, Bruttig und Treis


Region | 4. März 2022 | (ww). Der Norden von Rheinland-Pfalz war Ziel der ersten Gedenkstättenreise des Vorstands des rheinland-pfälzischen Landtags am gestrigen Donnerstag. „Wir machen uns auf Spurensuche in unseren Regionen. Wir wollen Erinnerungskultur lebendig halten, denn wir wissen, wie wichtig sie ist, um die Demokratie für die Zukunft zu festigen“, betonte Landtagspräsident Hendrik Hering, der mit Vizepräsidentin Astrid Schmitt sowie Vizepräsident Matthias Lammert in Zukunft regelmäßig Gedenkstätten und Initiativen vor Ort besuchen und würdigen will. Ziele der ersten Reise dieser Art waren Bad Ems und das ehemalige Konzentrationslager Bruttig-Treis.

Schulprojekt Bad Ems – Auf den Spuren jüdischen Lebens


Mehrfach ausgezeichnet ist das Engagement in der Erinnerungsarbeit der Schülerinnen und Schüler und von Geschichtslehrerin Elisabeth Knopp des Goethe-Gymnasiums in Bad Ems. In den vergangenen Jahren haben sie einen virtuellen Rundgang durch die Kurstadt auf den Spuren jüdischen Lebens entwickelt, den sie dem Vorstand des Landtags präsentierten. Der Weg durch Bad Ems zeigt nachvollziehbar und eindrücklich, wie die einzelnen Schicksale der jüdischen Nachbarn während und nach dem Zweiten Weltkrieg verlaufen sind. Die Schülerinnen und Schüler haben auch fiktive Tagebucheinträge jüdischer Familien aus Bad Ems auf der Basis von wahren Begebenheiten verfasst. Diese Einträge lassen die Leser:innen die Sorgen, Ängste und Hoffnungen der Menschen in diesem dunklen Kapitel der deutschen Vergangenheit miterleben. Eine andere Gruppe von Schülerinnen und Schülern kümmert sich regelmäßig um den jüdischen Friedhof der Stadt. Für alle an den Projekten beteiligten jungen Menschen war dies eine eindrucksvolle Erfahrung, die sie auch mit nach Hause genommen haben, um mit ihren Familien über die Geschichte ihrer Stadt und ihrer Vorfahren zu sprechen.

Landtagspräsident Hering zeigte sich bewegt und beeindruckt vom Engagement der Schule, die Geschichte der eigenen Heimatstadt aufzuarbeiten. Dies leiste einen entscheidenden Beitrag zu einer Erinnerungskultur, deren Zeitzeugen leider immer weniger würden. „Regionale Gedenkprojekte wie diese sind beispielhaft und von entscheidender Bedeutung. Der Ortsbezug ist für das Erinnern zentral, durch ihn werden die Schicksale der Menschen greifbar“, unterstrich der Landtagspräsident und dankte den Schülerinnen und Schülern. Auch der Vizepräsident des Landtags, Mathias Lammert würdigte das Engagement der Schule gegen das Vergessen:

Video: © Landtag Rheinland-Pfalz

Ehemaliges Lagergelände in Treis und Bruttig – gegen das Vergessen

Nichts erinnert auf dem Edeka-Parkplatz in Treis an das ehemalige Konzentrationslager Bruttig-Treis, ein berüchtigtes Außenlager des Konzentrationslager Natzweiler-Struthof. Angelegt wurde es 1944, um Tunnelarbeiten zum Ausbau einer unterirdischen Produktionsanlage umzusetzen. Das Lager bestand zwar nur etwa ein halbes Jahr. Die Schrecken und das Leid, das die insgesamt mehr als 2000 Gefangene dort aushalten mussten, sei jedoch schwer in Worte zu fassen. Das betonte der Landtagspräsident nach den Erläuterungen des Autors Ernst Heimes, der sich seit Jahrzehnten für die Aufarbeitung der NS-Zeit in seiner Heimatregion einsetzt und erläuterte, dass die Geschichte des Lagers lange Zeit vergessen war. Gemeinsam mit der Landeszentrale für Politische Bildung, deren Leiter Bernhard Kukatzki sowie sein Stellvertreter Uwe Baader in Treis und Bruttig ebenfalls vor Ort waren, hat er ein Konzept für die Gedenkarbeit zum KZ-Außenlager erarbeitet. Geplant ist ein sogenannter „Weg der Erinnerungen“, der künftig zwischen Treis-Cochem-Bruttig entstehen soll und an die Leiden, die unmenschlichen Zustände und Ereignisse während der NS-Zeit erinnert. Landtagspräsident Hering sowie seine Vizes Astrid Schmitt und Matthias Lammert erklärten sich bereit, dieses Vorhaben auch von Seiten des Landtags zu unterstützen.

Video: Video: © Landtag Rheinland-Pfalz

„Gerade in der jetzigen Situation hat die Gedenkstättenreise eine erschreckende Aktualität. Wir sehen auf erschütternde Art und Weise, was Krieg anrichten kann. Wir stehen hier vor den Überresten des Zweiten Weltkrieges während in Europa wieder Bomben fallen. Es ist für mich unbegreiflich, dass eine Shoa-Gedenkstätte wie Babyn Jar in der Ukraine unter Beschuss steht“, so der Landtagspräsident.

In Bruttig besichtigte die Landtagsdelegation, die auch vom Beauftragten für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen Dieter Burgard begleitet wurde, ehemalige Lagerbaracken mitten in einem Wohngebiet. Auch hier deutet nichts auf die dunkle Vergangenheit hin. Nur eine der Baracken ist gut erhalten, andere sind abgerissen oder zu Wohn- oder Lagerhäusern umgebaut worden. Auch an diesem Beispiel zeige sich, so Hering, dass der Kulturbruch in der Nazi-Zeit überall in Deutschland stattgefunden habe. „Unsere wichtige Aufgabe ist, die Erinnerung daran lebendig zu halten und begreifbar zu machen“, betonte Hering. An die digitale Aufarbeitung des „Wegs der Erinnerung“ hat sich die Forschungsstelle SEAL (Strukturen und Erinnerung. Angewandte Geschichtswissenschaft und digitale Lehre) der Universität Trier mit Thomas Grothum und seinen Studierenden gemacht. Dies soll gerade jungen Menschen einen Zugang zu diesem schwierigen Thema ermöglichen und soll Blaupause sein für weitere Forschung und Aufarbeitung.

Der Vorstand des rheinland-pfälzischen Landtags wird noch in diesem Jahr zu einer weiteren Gedenkstättenreise in den Norden von Rheinland-Pfalz kommen. Das Format soll künftig ein- bis zweimal jährlich an Orten in ganz Rheinland-Pfalz stattfinden.

Quelle; PM Landtag RLP