Lahnstein | 1. April 2024 | (je/ww). In einer unerwarteten und nahezu revolutionären Entscheidung hat das UNESCO-Welterbekomitee in einer am vergangenen Donnerstag, 28. März, einberufenen Sondersitzung in Riad (Saudi-Arabien) beschlossen, drei der bislang dem Verfall preisgegebenen ehemaligen Industrieanlagen und Einrichtungen – das Lahnsteiner Thermalbad, das Gesamtgelände der Löhnberger Mühle und das frühere Gelände der Firma Draht-Schmidt an der B260, Höhe Ruppertsklamm – als Weltkulturerbe anzuerkennen.

PK zur 41. Sitzung des UNESCO-Welteerbekomitees in Riad (Saudi-Arabien). Credit: Paweł Suder, Narodowy Instytut Dziedzictwa,Flickr
Diese bahnbrechende Entscheidung hat bereits jetzt enorme Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft und wird die Entwicklung der Region maßgeblich prägen. Begonnene Planungen, wie im Fall der Löhnberger-Mühle und sogar begonnene Aufräum-, bzw. Teilsanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen, wie im Falle des ehemaligen Draht-Schmidt-Geländes, müssen sofort gestoppt und neu überplant werden.
Die Nominierung und Anerkennung dieser Orte als Weltkulturerbe markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des UNESCO-Welterbekomitees, aber auch im Umgang der Kommune mit den oft als „Schandfleck für die Region“ bezeichneten Zeugnissen längst vergangener Epochen. Lange Zeit waren sie gezeichnet von Vernachlässigung und einem Mangel an Wertschätzung ihrer historischen und kulturellen Bedeutung. Doch nun könnten sie in einem neuen Licht erstrahlen – als Quellen kulturellen Erbes einer ganzen Region.
Das Lahnsteiner Thermalbad (Stadtteil Lahnstein auf der Höhe), einst ein Symbol des luxuriösen Lebensstils des 20. Jahrhunderts, war in den letzten Jahrzehnten zunehmend verfallen. Doch gerade dieser weltweit einzigartige Zustand, gepaart mit der klassischen Bäderarchitektur des ausgehenden Jahrtausends und seine historische Bedeutung als beliebtes Reiseziel für Kurgäste haben das Komitee – mit Ausnahme der Komitee-Mitglieder von Singapur, Botswana und der Mongolei – überzeugt und letztlich dazu geführt, dass es als kulturelles Erbe von unschätzbarem Wert anerkannt wird.
Ebenso erhielt die Löhnberger Mühle, ein Relikt vergangener industrieller Zeiten, eine neue Würdigung. Die ab 1890 im spätklassizistischen Stil erbaute eigentliche Mühle, die eher einer repräsentativen Schlossanlage ähnelt, steht ja bereits aufgrund ihrer architektonischen Besonderheit unter Denkmalschutz und ist Teil des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal. Bei der aktuellen Anerkennung als Weltkulturerbe geht es mehr um den rückwärtigen Teil der Anlage, der „in einzigartiger Weise die industrielle Nutzung und Erweiterung über Jahrhunderte wiederspiegelt“, so das Komitee in seiner Begründung.
In der ehemaligen Industrieanlage an der B260, in Lahnstein und der Region eher als das „alte Draht-Schmidt-Gelände“ bekannt, werden die in Lahnstein viel diskutierten Pläne des Käufers nun per UNESCO-Eilverfügung gestoppt. Nach dem Willen des Komitees soll dort ein europäisches Dokumentationszentrum der Geschichte von so genannten „Grundstücksbefestigungsanlagen“ entstehen. Aufgrund „der nur in Lahnstein vorhandenen Substanz zur historischen Dokumentation dieser bislang zu wenig beachteten Branche“, so das Komitee in seiner Entscheidungsbegründung, stünden Fördermittel nach Antragsstellung zur Verfügung, sodass der Lahnsteiner Investitionsanteil nur „wenige Millionen Euro“ betragen würde. Nach Ansicht des Komitees „angesichts der zu erwartenden Eintrittsgelder, eine überschaubarer Beitrag.“
Die Entscheidung des UNESCO Weltkulturerbe-Komitee hat auch weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Bauprojekte und Entwicklungspläne in der Region. Alle Bauvorhaben müssen nun unter Berücksichtigung des neuen Status dieser Orte als Weltkulturerbe neu geprüft und genehmigt werden. Das betrifft auch die komplette Planung für die BUGA 2029. Die neuen Welterbestätten sollen sich harmonisch in das Veranstaltungsangebot einreihen. Dies stellt eine Herausforderung dar, aber auch eine Chance, die Entwicklung der Region im Einklang mit ihrem kulturellen Erbe zu gestalten. Der Lahnsteiner Oberbürgermeister Lennart Siefert begrüßte die Entscheidung der Kommission und sieht darin eine Chance für eine nachhaltige Entwicklung, die sowohl den Schutz des kulturellen Erbes als auch die wirtschaftliche Entwicklung der Region fördert.
Insgesamt markiert die Anerkennung dieser drei „Problemobjekte“ als Weltkulturerbe einen Meilenstein in der Geschichte der Region. Sie zeigt, dass auch vermeintlich vernachlässigte Orte einen unschätzbaren Wert besitzen und dass ihr Erhalt und ihre Wertschätzung von entscheidender Bedeutung für die Zukunft sind. Möglicherweise zeigt sie aber auch, dass erst jahrzehntelange Vernachlässigung den wirklichen Wert solcher Objekte erkennen lässt.