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Neuwied: Horrorunfall in der Innenstadt – sechs Verletzte

"Bislang keine Hinweise auf Anschlag oder bewusste Handlung" - mit "hoher Geschwindigkeit" in Menschen, Autos und Geschäfte gerast

Neuwied | 28. Juni 2023 | (ww). „Massenanfall von Verletzten“, „Auto rast in Friseursalon“, „Amokfahrt in der Innenstadt“ – die Meldungen überschlagen sich am Mittwochnachmittag gegen halb fünf vor allem in den sozialen Medien. Um 16.45 Uhr dann eine erste offizielle Meldung des Polizeipräsidiums Koblenz:

In der Straße „Im Hofgründchen“ in Neuwied kommt es nach einem schweren Verkehrsunfall um 16:18 Uhr zu einem größeren Polizeieinsatz. Für Pressevertreter wird eine Anlaufstelle auf der Kirmeswiese eingerichtet.

Vor allem der zweite Satz der Meldung lässt erfahrene Medienvertreter erahnen, dass es sich um einen außergewöhnlichen Fall handeln muss – Anlaufstellen für Pressevertreter gibt es nur bei „größeren Lagen“, also schwersten Unfällen, Katastrophen,  Ereignissen mit vielen Verletzten. Auf der Fahrt zur Unfallstelle erzeugen die Social-Media-Posts und Meldungen unweigerlich dafür, dass auch dem Verfasser dieses Berichtes Bilder vom Breitscheid-Platz, von Trier, von Nizza durch den Kopf gehen – den zahlreichen anfahrenden Rettungs- und Einsatzkräften dürfte es wohl ähnlich gehen.

Vor Ort auf der Kirmeswiese sind gleich drei Rettungshubschrauber zu sehen, ein orangfarbener startet gerade. Orange? Die gibt es in der Region doch gar nicht? Sind das nicht die Rettungshubschrauber des Bundes, der nächstgelegene davon ist in Frankfurt stationiert – wird das Kopfkino weiter befeuert. Mittlerweile ist es 17.15 Uhr – die angesprochene Anlaufstelle für Pressevertreter gibt es (noch) nicht. „Die Lage ist noch ziemlich unübersichtlich“ heißt es aus Feuerwehrkreisen – man kennt sich von dem einen oder anderen Einsatz. In dem Moment wird einer der Verletzten mit Rettungswagen, Notarztbegleitung, Blaulicht und Martinshorn auf die Kirmeswiese gebracht und sofort in einen der wartenden Hubschrauber getragen. In einem Wirbelsturm aus rotem Staub der Kirmeswiese startet Christoph 75 – normalerweise in Köln stationiert – in Richtung Koblenzer Bundeswehrzentralkrankenhaus.

Ich mache mich auf den Weg in Richtung Heddesdorfer Straße. Ein weiterer Feuerwehrmann weist den Weg in Richtung Einsatzstelle. Noch immer – mittlerweile gut 50 Minuten nach den dramatischen Ereignissen, heulen Martinshörner aus allen Richtungen, Einsatzfahrzeuge fahren in Richtung Innenstadt oder wieder heraus. An der Absperrung an der „Schauburg“, dem Kino am oberen Ende der Heddesdorfer Straße, treffe ich auf Jürgen Fachinger, den Pressesprecher des Koblenzer Polizeipräsidiums, der sich nach Kräften bemüht selbst einen ersten Lageüberblick zu bekommen. Kurzerhand wird die Presseanlaufstelle an die Absperrung verlegt, Fachinger informiert über den aktuellen Ermittlungsstand. „Ermittelt wird in alle Richtungen, aber wir gehen derzeit von einem Unfall aus. Vier Schwerverletzte, zwei Leichtverletzte, darunter die Frau, die einen VW mit hoher Geschwindigkeit durch die Heddesdorfer Straße in ein Friseurgeschäft gesteuert hat. Warum das passiert ist, ist noch absolut unklar.“

Der Unfallort ist weiträumig abgesperrt, Gutachter sind vor Ort, ein Hubschrauber für spezielle Luftbilder ist angefordert. Stellenweise „wissen“ die Medienvertreter mehr als offiziell informiert werden kann – auch das ist normal in solchen Lagen. Auch über die Facebookseite und den Insta-Account von 56aktuell und über Whatsapp treffen Bilder vom Unfallort ein, Schilderungen von Augenzeugen tauchen auf:

Das Auto ist richtig geflogen! Es ist aus Richtung Kaufland gekommen, an der Kreuzung abgehoben und über drei Autos hinweg geflogen: Dann wurden die Menschen auf der Straße getroffen und zuletzt ist es in den Friseurladen gerutscht. Das ging alles so schnell, das waren nur Sekunden.

 

Augenzeugenschilderung

Das Auto hat wirklich abgehoben und ist in das erste Schaufenster gekracht,  hat sich dann gedreht und ist durch die Geschwindigkeit noch in das Schaufenster des Friseurs geknalt. Das Fahrzeug lag zuerst auf der Seite und wurde von uns ersten Helfern auf die Räder gestellt damit wir helfen konnten. Wir mussten da einfach helfen, im Auto war ein Kindersitz zu sehen. Zum Glück waren wir da und konnten helfen.

 

Ersthelferschilderung

Bilder von Anwohnern, die uns während des Wartens an der Absperrung erreichten:

 

Es wird vor Ort noch gut eineinhalb Stunden dauern bis die inzwischen deutlich angewachsene Reporterschar an die Unfallstelle darf – die Spurensicherung, die Arbeit der Gutachter, geht natürlich vor.  Dort bietet sich ein Bild der Verwüstung. Es sind fast Eindrücke wie aus einem Kriegsgebiet. Nachdem das Auto in eine mit Betonpollern eingefasste Grünanlage gekracht ist und in die Luft katapultiert wurde, sind die Fahrzeuge dahinter zwar nicht durch das Fahrzeug selbst beschädigt worden, sie sind aber wie mit Schlamm überzogen und von den herumfliegenden Betonpollerteilen getroffen. Direkt dahinter, an  der Stelle wo das Fahrzeug wieder aufgekommen sein muss, die erste mit gelber Sprühfarbe markierte Umrandung der Fundstelle eines der Verletzten, unmittelbar daneben weitere solcher Personenmarkierungen. Überall liegen Einmal-Handschuhe und aufgerissene Verpackungen diverser medizinischer Instrumente und Mittel. Ganz am Schluss der Szenerie steht der von den Ersthelfern aufgerichtete dunkle VW vor dem total zerstörten Schaufenster des Friseurgeschäftes. Jedem Betrachter ist klar – es wird dauern bis die Menschen in der kleinen Straße im Herzen der Neuwieder Innenstadt wieder ohne nervöse Blicke in alle Richtungen aus den Hauseingängen oder Geschäften treten werden.

Sowie weitere Informationen zum Unfallhergang oder dem Gesundheitszustand der Verletzten vorliegen, wird nachberichtet. Mein / unser Respekt gilt den Einsatzkräften von Feuerwehr, DRK und Polizei, die in diesem Chaos ruhig und besonnen die nötige Hilfe geleistet haben. Ausdrücklich möchte ich mich auch bei den beiden Beamten der Pressestelle des Polizeipräsidiums Koblenz, Jürgen Fachinger und Violetta Heinrich, bedanken, die den erheblichen Spagat zwischen Informationsbedarf der „Kollegenmeute“ und erforderlicher Zurückhaltung aufgrund der Spurensicherung hochprofessionell und mit Engelsgeduld und bewunderswerter Freundlichkeit bewältigt haben, dabei durchgehend aber mit minutiösen updates – und auch endlosen Wiederholungen für Neueintreffende – zur Verfügung standen.