Berndroth | 3. November 2023 | (ww). Spätestens seit dem 19. Oktober ist das Dorfleben in dem kleinen Einrich-Örtchen Berndroth (Rhein-Lahn-Kreis) aus den Fugen geraten. Um 17.35 Uhr heulte die Sirene auf dem brennenden Dorfgemeinschafts – und Feuerwehrgerätehaus. Als die ersten Feuerwehrleute zum Einsatz eintreffen, stehen die verbundenen Gebäude bereits im Vollbrand. Trotzdem gelingt es den Berndrother Einsatzkräften noch, das so gut wie nagelneue Kleinlöschfahrzeug (KLF) aus dem brennenden Gerätehaus zu fahren und den Löschangriff zu beginnen. Nur wenige Minuten später stürzen große Teile des Dachs ein. Insgesamt dürfte der Mittelpunkt des Dorflebens wohl einen Totalschaden erlitten haben.
Heute Mittag bestätigt die Polizei Montabaur in einer Pressemitteilung knapp, was im Ort schon am Abend nicht nur hinter vorgehaltener Hand vermutet wurde:
Durch die Kriminalpolizei Montabaur wurde eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Diese geht mittlerweile von einer Brandstiftung aus. Die Ermittlungen dauern weiter an.
PM Polizei Montabaur vis ots
Es ist nicht der erste Vorfall in Berndroth, der die Gerüchteküche anheizt. An einem Juli-Sonntag wurde unter einem privaten Außen-Gastank eine Bombenattrappe entdeckt. Ein stundenlanger Einsatz von Spezialkräften mit umfangreichen Sperrungen im Ort sorgt für Diskussionen. Auch aus Kreisen der Einsatzkräfte heißt es an diesem Tag vor Ort „die Vorrichtung hätte durchaus Potenzial gehabt“ – was immer das genau bedeuten mag. Wenig später brennt ein Holzstapel in der Nähe eines Hauses – offensichtlich angezündet. Dann das Feuer vom 19. Oktober und jetzt die vorsichtige Bestätigung der schlimmsten Befürchtungen der Berndrother. Vorsichtig formuliert ist die Stimmung im 400-Seelen-Ort Berndroth beunruhigt.
„Das ist natürlich das Thema im Ort. Die Berndrother sind unruhig, bedrückt und misstrauisch oder eher noch wachsam. Man schaut jetzt öfter aus dem Fenster, wer da so lang fährt oder geht. Viele Fragen sich, was noch passieren wird, wo es als nächstes brennt“, so Rainer Mohr Berndroths Ortsbürgermeister – hörbar durch das vorläufige Ermittlungsergebnis schockiert – am 56aktuell-Telefon. „Man hat den Eindruck die Hemmschwelle wird geringer“, ergänzt Mohr und betont, dass es noch kein Ermittlungsergebnis gibt, das die drei Vorfälle miteinander verbindet, „aber hier glaubt eigentlich niemand daran, dass es keinen Zusammenhang gibt.“
Die Angst geht um. Das merkt man auch bei der Organisation des Adventsfensters. „Das wird es dieses Jahr nur an den Wochenenden geben. Man hat so den Eindruck, dass sich niemand ins Haus oder in den Hof schauen lassen will. Das gab es früher nicht“, berichtet Mohr, der seit 2001 Ortschef der Einrich-Gemeinde ist. Sein Büro ist glücklicherweise schon länger nicht mehr im Dorfgemeinschaftshaus untergebracht, „wir wollten da ganz einfach mehr Platz für das Dorfleben bieten“, erklärt Mohr. Der wurde auch genutzt. Für die Übungsstunden des „Spiel und Sportvereins“ (SSV) beispielsweise. Zur Brandzeit hätte eigentlich das SSV-Kinderturnen im Dorfgemeinschaftshaus stattgefunden – es war abgesagt wegen der Herbstferien, auch das sorgte im Zusammenhang mit dem Feuer natürlich für Spekulationen. Das SSV-Material wie Bodenmatten und Turngeräte ist verbrannt. Der SSV zeichnete sonst auch verantwortlich für den Weihnachtsmarkt mit Basar im Gemeinschaftshaus – das bereitgestellte Material, um die sonst so begehrte festliche Deko herzustellen, ist durch die verrauchten Fenster des Gebäudes noch zu erkennen – mindestens ein kapitaler Wasserschaden dürfte aber entstanden sein. Mit den Übungsstunden ist der SSV im benachbarten Rettert untergekommen, der Weihnachtsmarkt soll „kleiner, aber irgendwie“ stattfinden, wahrscheinlich am SSV-Vereinsheim, „das Dorfleben muss ja weitergehen“, so Mohr.
Auch der „MGV Frohsinn 1876 e.V.“ war im abgebrannten Gemeinschaftshaus zu Hause. Die Traditionsfahnen, aber auch die Notensammlung sind Opfer der Flammen geworden. „Für den MGV besteht das Angebot, sich zu seinen Chorstunden in den Nachbargemeinden Rettert, Oberfischbach oder Katzenelnbogen zu treffen“, berichtet Mohr heute am späten Nachmittag am Telefon.
Und natürlich musste auch die Feuerwehr umziehen. „Für die ersten Nächte war das Fahrzeug mal bei einem Privatmann im Dorf in der Scheune untergestellt, aber das ist ja, gerade auch mit der persönlichen Ausrüstung, kein Dauerzustand. Das ist jetzt auch alles in einer Nachbargemeinde untergebracht, das hat die Verbandsgemeinde in ihrer Zuständigkeit geregelt“, so Mohr.
Rund um die Brandruine selbst, hat sich seit Einsatzende am Morgen des 20. Oktober und dem Stellen des Bauzauns nichts mehr verändert. „Solange die Ermittlungen laufen, bleibt das auch versiegelt, hat die Polizei mir erklärt“, schildert Ortschef Mohr, der lediglich zum Aufschließen für die Brandermittler beim ersten Begang mit in das eigene Dorfgemeinschaftshaus durfte. Und da auch nur kurz in die weniger betroffenen Räume. „Das war schon ein sehr schmerzliches Gefühl, das alles so zerstört zu sehen“, berichtet er mit belegter Stimme. Die Versicherung und eventuell ein eigener Gutachter der Gemeinde darf ebenfalls erst nach Abschluss der Ermittlungen ins Gebäude. Bis dahin bleibt die wirkliche Schadenshöhe auch unbeziffert und eine Aussage, ob sich die Brandruine sanieren lässt, reine Spekulation. „Wenn ich schätzen müsste, würde ich aber sagen, das ist ein Totalschaden – da wird wohl nur Abriss und Neubau möglich sein“, fasst Mohr zusammen.
„Alle im Dorf hoffen auf einen schnellen Ermittlungserfolg. Bislang ist es ja zum Glück bei Sachschäden geblieben“, fasst Mohr Hoffnung und Befürchtungen der Dorfbewohner in einem Satz zusammen.
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Beittragsbild: Augenzeugenfoto privat – Einverständnis des Urhebers liegt vor
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