Andernach | 04. Oktober 2022 | (cm). Von der Idee bis Start des ersten Konvois vergingen nur 24 Stunden – das war unmittelbar nach Kriegsausbruch Anfang März 2022. Mittlerweile war der Hilfskonvoi Andernach bereits zum vierten Mal in der Ukraine und zieht nach einem ereignisreichen Transport Bilanz: Durch die Ukraine-Hilfe von Andernacher Polizisten konnten bis zum jetzigen Zeitpunkt insgesamt Spendengeldern in Höhe von 114.531,66€ , sowie Hilfsgüter im Wert von ca. 250.000€ übergeben werden, teilten der Verantwortlichen jetzt mit.
Man habe anfänglich gehofft, mit etwas Glück 2.000€ an Spendengeldern zu sammeln und so die vorfinanzierten Hilfsgüter der ersten spontanen Tour (04.-06.03.2022) bezahlen zu können, so Marcel Gasteier. Aufgrund zahlreicher Spenden durch lokale Unternehmen und vieler Privatpersonen blieb es nicht bei dieser einmaligen Aktion. Insgesamt vier Mal machte sich der Hilfskonvoi auf die Reise, zuletzt vom 29.09.2022 – 02.10.2022.
Der mit den Konvois verbundene Aufwand – neben der eigentlichen Fahrt insbesondere Buchhaltung, Einkauf, Logistik, Rückabwicklung – waren zweifelsfrei zeitliche Belastungen, die es neben Job und sozialem Umfeld auszuhalten galt. So war sich das Team einig, mit der dritten Tour (22.-24.04.2022) die Aktion zu beenden. Schließlich hatte man innerhalb weniger Wochen nahezu 100.000€ gesammelt und dank der Großzügigkeit einiger Unternehmen beim Einkauf den Warenwert mehr als verdoppeln können. Zudem konnte man neun Personen sowie eine Katze aus dem Kriegsgebiet evakuieren und in der Heimatregion sicher unterbringen.
Bis zum Spätsommer 2022 zeichnete sich allerdings ab, dass das eigens eingerichtete Treuhandkonto wieder so gefüllt war, dass eine lokale Spende nicht dem Zweck der privaten Initiative entsprochen hätte. „Die hohe Spendenbereitschaft ist sicher auch darauf zurück zu führen, dass wir vom Einkauf bis zur Übergabe im kleinen Team alles selbst organisiert haben. Genau das ist auch unser Anspruch gewesen“, so Sven Welter. Tatsächlich wurden sogar die Mietkosten für die LKW / Transporter, die Treibstoffkosten, sowie die Verpflegung des Teams größtenteils von Sponsoren getragen. Der pauschal klingende Slogan auf einem der Flyer des Andernacher Hilfskonvois „Jeder Cent kommt an“ wurde bei dieser Aktion stets gelebt.
Für eine größtmögliche Transparenz wurden frühzeitig eigene Instagram- und Facebook-Seiten eingerichtet („hilfskonvoi_ukraine_andernach“). Die ständigen „Beiträge“, „Story’s“ und „Reel’s“ (Videobotschaften) sollten alle mit auf die Touren nehmen, Eindrücke des Erlebten vermitteln und – ganz wichtig – zeigen, wofür die Spendengelder ausgegeben wurden. Zusammenfassend waren das insbesondere Medikamente / Arzneimittel, medizinische Geräte, Hygieneartikel für Erwachsene und Kinder, haltbare Nahrungsmittel, Schlafsäcke und Isomatten, Thermounterwäsche, Taschen- und Stirnlampen, Batterien, Powerbanks und Tabletten zur Wasseraufbereitung.
Mit solchen Hilfsgütern im Wert von ca. 30.000€ im Gepäck ging es im Zeitraum 29.09.2022 – 02.10.2022 nun ein viertes Mal auf Tour. Nach einer durchaus intensiven 15 stündigen Fahrt nach Krakau ging es am frühen Samstagvormittag auf der zweiten Etappe wie geplant an die polnisch-ukrainische Grenze. Hier wurden im Rahmen der Zollkontrolle – eine von vielen Kontrollen im wenige hundert Meter umfassenden Transitbereich – erstmals intensivere Diskussionen über Art und Gewicht der Hilfsgüter geführt. Auch hier zeigt die Erfahrung: Ruhe bewahren und freundlich bleiben sind die Allheilmittel, um die Einreise nicht zu gefährden. So auch in diesem Fall: Am Nachmittag war die Einreise erfolgreich bewältigt, die Reisepässe hatten ihren dritten ukrainischen Stempel. Umgarnt von dem Gefühl der Sicherheit wurde bei dieser Tour der Übergabepunkt nicht in unmittelbarer Grenzregion, sondern am Logistikzentrum der ukrainischen Hilfsorganisation gewählt. Dies ersparte schließlich ein mehrfaches Umladen. Während sich der LKW bereits unmittelbar auf den Weg nach Kiew machte, wurde das Team nach getaner Arbeit als Dank zum Essen in ein lokales Restaurant mit regionalen Speisen eingeladen.
Nach dem Verlassen des Restaurants wurde der sonst so besonnene und krisenerfahrene ukrainische Kontaktmann plötzlich hektisch. Ein Luftalarm im Westen der Ukraine, der zweite seit Kriegsbeginn in dieser Region, war nicht zu überhören. Damit hatte selbst er an diesem Tag nicht gerechnet. Äußerliche Ruhe und innerliche Angespanntheit begleiteten das Team auf der Rückfahrt zur Grenze – Geschwindigkeitsbeschränkungen spielten keine Rolle mehr, außer beim Passieren der militärischen Grenzposten. Am späten Nachmittag war der aufwändige Einreiseprozess zurück in die EU (Polen) gemeistert – Erleichterung machte sich breit. Am späten Abend war das zweite Etappenziel Oswiecim (zu Deutsch: Auschwitz) erreicht.
Der Feiertag (03.10.) machte es möglich, nicht wie gewohnt nach der zweiten kurzen Nacht unmittelbar gen Heimat aufbrechen zu müssen. Eine geführte Besichtigung des Museums, der Gedenkstätte und des Konzentrationslagers Auschwitz hatte man sich zum Abschluss vorgenommen. Auch diese 3 ½ Stunden wird man wohl so schnell nicht mehr vergessen.
Als Fazit nach dieser letzten 66-stündigen Tour bleiben: 114.531,66€ an gesammelten Spendengeldern, überbrachte Hilfsgüter im Wert von ca. 250.000€, neun evakuierte Menschen, ca. 10.000 gefahrene Kilometer, neue Freundschaften, ein gutes, aber auch bedrückendes Gefühl und eine Einladung zu einem 3-tägigen Besuch nach Lemberg nach Kriegsende. Es bleibt zu hoffen, dass Letzteres nicht allzu lange auf sich warten lassen muss.
Quelle + Bilder: Hilfskonvoi Andernach