Von Idee bis Start des ersten Konvois vergingen nur 24 Stunden – am Freitag geht es schon zum zweiten Mal in Richtung Ukraine – Spendenstand inzwischen über 77.000 Euro
Andernach | 14. März 2022 | (ww). Hilfstransporte und -aktionen für die Ukraine gibt es – glücklicherweise – zahlreich. Etliche Konvois haben sich auch aus dem Norden von Rheinland-Pfalz auf den Weg an eine der ukrainischen Grenzen gemacht. Für Aufsehen sorgte unter anderem eine Aktion der Feuerwehren der Verbandsgemeinde Cochem, des Landesfeuerwehrverbandes sowie der Initiative „Cochem-Zell hilft“: innerhalb weniger Tage kamen 130 Tonnen dringend benötigter Hilfsgüter zusammen, die sich am 6. März auf den Weg nach Osteuropa machten. Noch schneller – sprichwörtlich „schneller als die Polizei erlaubt“ war eine private Initiative rund um den Leiter der Polizeiinspektion Andernach, Thomas Welsch. Am frühen Vormittag des 3. März erzählte er seinen Kollegen von der Idee, spontan einen Hilfstransport an die ukrainische Grenze auf die Beine zu stellen – 24 Stunden später machen sich Welsch, vier seiner Kollegen und zwei private Helfer aus dem Freundeskreis der Beamten auf den Weg nach Osteuropa.
„Wahnsinn, wie schnell das alles ging“, sagt Welsch. In einer Besprechung hatte er morgens von der Idee erzählt einen Hilfskonvoi auf die Beine zu stellen. Grundvoraussetzung: alle Arbeit passiert außerhalb der Dienstzeit, die Initiative bleibt rein privat. „Drei Helfer würden für die Orga reichen“, sinniert Welsch im Beisein von Kollege Marcel Gasteier. Gasteier, im Nebenberuf DFB-Schiedsrichter, sagt spontan „Ich bin dabei und drei Leute besorge ich – besorge du drei Fahrzeuge“.
Mehr braucht es nicht für eine Hilfsaktion, die später alle Erwartungen übertreffen wird.
„Als Polizei haben wir da schon so etwas wie ein Vertrauensvorschuss, den man für den guten Zweck ruhig mal nutzen darf“, blickt Inspektionsleiter Welsch auf die Anfänge zurück. Dieses Vertrauen macht sich auch „auf dem kleinen Dienstweg“ bezahlt – ein Anruf bei Andernachs OB Achim Hütten und schon steht ein Transporter der Feuerwehr und ein Fahrzeug des Jugendzentrums bereit. Im Kollegenkreis der Polizei – und der DFB-Schiedsrichter ! – wird gesammelt, auch per Whatsapp wird aufgerufen. So kommen innerhalb kürzester Zeit fast 2000 Euro zusammen. Damit wird nach einer Liste, die Welsch und Kollegen von der IPA, quasi einem Verein, dem weltweit Polizisten angehören, eingekauft: Dinge des täglichen Bedarfs, die an der Grenze zur Versorgung der Flüchtlinge dringend benötigt werden. Das DRK Neuwied steuerte Hilfsgüter bei, die bei der Flut im Ahrtal nicht benötigt wurden, Intersport Krumholz aus Mülheim-Kärlich stellte Schlafsäcke und Isomatten zum Einkaufspreis zur Verfügung, von der Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach gab es Medikamente und Verbandsmaterial – auch zum Einkaufspreis. Das Hit Shopping Center spendete Lebensmittel, Löhr Automobile steuerte einen weiteren Transporter bei.
Bereits am Freitag geht es los: „Wir sind mal grob in Richtung Dresden gefahren und wollten dann schauen, wie es weiter geht“, erzählt Welsch. Die Truppe begibt sich in ihrer Freizeit auf die 3000-Kilometer-Tour, rein privat, eine Freistellung vom Dienst gibt es für die Hilfsaktion nicht, die übrigen Kollegen sorgen dafür, dass der Betrieb bei der Andernacher Polizei am Wochenende wie üblich läuft.
Auf der Fahrt Richtung Osten entsteht eine weitere Idee: „Lass uns doch ein Paypal-Spendenkonto einrichten, schlägt Gasteier vor. „Wenn da noch was reinkommt, können wir ja ein zweites Mal fahren. Wenn wir erst einmal vor Ort sind, sehen wir ja, was noch gebraucht wird“ – sinngemäß verläuft der Dialog im Auto so. Von da an überrollt die Polizisten und ihre Freunde eine Welle der Unterstützung. Gegen Abend sind bereits 8000 Euro auf dem Spendenkonto.
„Da musste das Netzwerk wieder ran“, zeigt sich Welsch immer noch tief beeindruckt. Der 36-jährige Vater von zwei Kindern kontaktiert einen IPA-Kollegen der polnischen Polizei. Und auch die polnischen Gesetzeshüter arbeiten in Rekordzeit: in Lodz öffnet um Mitternacht ein Einkaufszentrum für die Andernacher Helfer, weitere Hilfsgüter werden direkt vor Ort erworben. „Die Kollegen haben da kurz telefoniert, und dann wurde extra für uns geöffnet“, erzählt Welsch immernoch beeindruckt. Fleece-Pullis, gefütterte Hosen, Mützen und feste Schuhe kommen noch zum Hilfsmaterial, dass die Andernacher in einem Flüchtlingslager auf polnischer Seite übergeben können. Schon da steht fest: es wird eine zweite Tour geben – nach Möglichkeit in die Ukraine. „Das war leider beim ersten Transport nicht möglich, inzwischen haben wir Kontakt zum ukrainischen Konsulat aufgenommen und würden gerne, wenn es die Lage zulässt, unter militärischer Begleitung direkt in die Ukraine liefern“, erklärt Welsch die aktuelle Planung. „Mit dem noch überschaubaren ersten Transport konnten wir noch ein einzelnes Auffanglager anfahren, das geht jetzt nicht mehr“, fasst Welsch die Entwicklung zusammen.
Mehr als 77.000 Euro (!) sind mittlerweile zusammengekommen. „Wir sind absolut überwältigt und garantieren nach wie vor dafür, dass jeder Cent vor Ort ankommt. Es kommt für uns zum Beispiel auch nicht in Frage eine Spedition zu beauftragen – wir bringen alles persönlich dahin, wo es gebraucht wird. Und wenn wir auch ein drittes Mal fahren müssen“, betont Welsch, der eindringlich darum bittet keine Sachspenden in der PI abzugeben. „Wenn sie helfen wollen, spenden sie Geld – damit wird wirklich Benötigtes gekauft!“.
Mittlerweile wurde das Paypalkonto durch ein Treuhandkonto mit der IBAN DE73 5765 0010 0198 5992 68 bei der Kreissparkasse Mayen ergänzt. Sollten auch Sie diese beeindruckende Initiative der Andernacher Polizisten und ihrer Freunde unterstützen wollen, bitte als Empfänger Thomas Welsch Treuhandkonto und im Verwendungszweck „Hilfskonvoi Ukraine Andernach“ eintragen – jeder Euro hilft den Menschen aus und in der Ukraine. Und: jeder Cent wird persönlich vor Ort abgeliefert! Den etwas in die Jahre gekommenen Slogan „Die Polizei – dein Freund und Helfer!“ haben eine Polizistin, vier Polizisten und zwei Freunde aus Andernach jedenfalls völlig neu definiert.