Fahrlässige Tötung durch Unterlassung – Heizung trotz doppelter Aufforderung nicht von Fachfirma reparieren lassen – 71-Jährige stirbt an Rauchgasvergiftung
Fachbach | 13. Januar 2021 | (ww). Bereits im Januar 2020 verstarb eine 71-jährige Fachbacherin, nachdem ihre Mietwohnung durch eine defekte Heizungsanlage komplett verrußt wurde. Am Lahnsteiner Amtsgericht musste sich jetzt auf Drängen eines Sohnes der Verstorbenen der Vermieter der Wohnung verantworten, der die Heizungsanlage offenbar ausschließlich selbst gereinigt, gewartet und repariert hatte. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft nach Informationen von 56aktuell mehrmals abgelehnt den Vermieter anzuklagen.
Rückblick: Am Morgen des 26. Januar 2020 wird der Vermieter von einer weiteren Mieterin darüber informiert, dass ihre Wohnung in dem Haus in der Fachbacher Sommerstraße extrem verraucht sei. Der Mann, der selbst in der Nachbarschaft lebt, macht sich auf den Weg in das Mietobjekt und stellt schon beim Öffnen der Haustüre fest, dass dichter, schwarzer Rauch im Treppenhaus steht. Die 71-Jährige öffnet trotz Klingeln, Klopfen und Rufen nicht – mit einem Zweitschlüssel wird die Wohnung geöffnet, man findet die Frau bewusstlos auf der Couch. Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei werden alarmiert – die Frau kommt ins Krankenhaus. Doch zu spät: wenige Tage später stirbt sie – an einer Lungenentzündung, die sich laut Gutachten durch die Rauchgasvergiftung gebildet hatte.
Die Staatsanwaltschaft warf dem Vermieter vor, durch fahrlässiges Verhalten und Unterlassung den Tod der Seniorin mindestens mitverschuldet zu haben. Über Jahre habe der Mann die Heizung in dem Mietobjekt in Eigenregie gereinigt und gewartet. Erschwerend hinzu kam die Tatsache, dass die gesamte Heizungsanlage offenbar gar nicht beim zuständigen Schornsteinfeger angemeldet war, dieser sogar bis zu einer eher zufälligen Beobachtung gar nicht gewusst haben soll, dass das Haus wieder bewohnt sei. Als dann Kontrollen erfolgten, wurde zweimal Mängel festgestellt – eine fachgerechte Wartung wurde aber weiterhin nicht durchgeführt. Ein Sohn der Verstorbenen trat als Nebenkläger im Verfahren auf. Seine detailliert recherchierten Eingaben führen im Verfahren immer wieder zu neuen Aspekten, die dann auch Richter und Staatsanwaltschaft hinterfragen.
Ganz wesentlich im Verfahren: die Aussagen mehrerer Gutachter. Insgesamt stellt sich sich die gutachterliche Bewertung des Geschehenen nicht einfach dar, es bleiben viele Fragen, die nur mit „wahrscheinlich“ oder „höchstwahrscheinlich“ beantwortet werden können. Fazit des medizinischen Gutachtens: die Frau starb an den Folgen der Rauchgasintoxikation, bei fach- und sachgerechter Wartung wäre das, was passiert ist, nicht passiert. Ein Gutachter will aber nicht ausschließen, dass auch andere Faktoren unter ungünstigsten Umständen zu einem ähnlich dramatischen Ergebnis hätten führen können.
Besonders erörtert wird der Umstand, dass der Schornsteinfeger im Mai und September 2019 erhöhte Abgaswerte feststellte. Darin sind sich die Gutachter einig: das hätte eine Fachfirma reparieren müssen. Auch der Umstand, dass die Tür zwischen Heizungsraum und Treppenhaus nicht geschlossen war, wird detailliert hinterfragt. Fazit: laut damaliger Baugenehmigung hätte eine selbstschließende Feuerschutztür eingebaut sein müssen – der dazu nötige Mechanismus fehlte, die Tür war offen, das belegen Rußspuren.
Am Ende einer komplizierten Beweisaufnahme fordert die Staatsanwältin unter Berücksichtigung des vorstrafenfreien Lebenslaufs eine Freiheitstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle und eine Geldstrafe von 2000 Euro, zu zahlen an eine gemeinnützige Einrichtung.
Der Anwalt des Nebenklägers fordert eine höhere Haftstrafe und „wenigstens die Kostenerstattung für die Beerdigung“, der Verteidiger fordert Freispruch. Nach kurzer Beratung folgte der Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Berufung kann eingelegt werden.
Dass das Verfahren damit wirklich beendet ist, ist indes unwahrscheinlich. Erstens läuft auch noch eine zivilrechtliche Klage der Hinterbliebenen gegen den Vermieter, der wollte auch der Richter am Lahnsteiner Amtsgericht nicht vorgreifen. Da geht es um tatsächliche Kosten, wie die für die Beerdigung und Hausrat, aber auch gegebenenfalls um Schmerzensgeld und Entschädigungszahlungen. Eine ganz andere Frage – wieder aufgeworfen durch die Nebenklage – hat aber im Verlauf des Prozesses die Staatsanwaltschaft aufhorchen lassen: warum sind trotz zweifach festgestellter Mängel, keine weiterführenden Schritte zur Untersagung des Betriebes der Heizungsanlage erfolgt? Durchaus wahrscheinlich, dass auch diese Frage noch einmal ein Gericht beschäftigen wird. Der Sohn der Verstorbenen jedenfalls sieht darin den Kern des Prozesses: „Hier geht es um Systemversagen, das zum Tode unsrer Mutter geführt hat. Das Urteil gegen den Vermieter bringt sie nicht zurück, ist aber in Ordnung.“
Foto: Jachtenfuchs