Home Slider „Frohe Weihnachten“ geht anders: Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein will Weihnachtsgeld radikal kürzen

„Frohe Weihnachten“ geht anders: Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein will Weihnachtsgeld radikal kürzen

Reduzierung auf 30 Prozent wegen "Liquiditätsproblemen" kurzfristig angekündigt - Gewerkschaft ver.di kritisiert scharf

Koblenz /Mayen / Nastätten | 23. November 2022 | (ww). Gestern erhielten die Beschäftigten des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein (dazu gehören in Koblenz der Kemperhof und der Ev. Stift St. Martin, in Mayen das St. Elisabeth-Krankenhaus, in Boppard das Krankenhaus Heilig Geist sowie der Paulinenstift in Nastätten – die Red.) die Nachricht, dass das Weihnachtsgeld aufgrund von Liquiditätsproblemen zunächst nur zu 30% ausgezahlt werden soll. Ob und wann der Rest gezahlt wird, wurde den Beschäftigten nicht mitgeteilt. Die Auszahlung der Jahressonderzahlung wäre planmäßig in einer Woche mit dem Novembergehalt erfolgt. Die Empörung der Beschäftigten ist groß. Die Gewerkschaft ver.di kritisiert dieses Vorgehen scharf, die Beschäftigten sind – verständlicherweise – frustriert.

„Frust“-Plakate der Beschäftigten im Kemperhof.

„Ein derartiges Gebaren gegenüber den Beschäftigten ist – besonders in den gegenwärtigen Krisenzeiten mit einer Inflationsrate von aktuell 10,4 Prozent und Energiepreisen die durch die Decke schießen – gegenüber den Beschäftigten unverantwortlich. Wir erwarten daher, dass das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein und die Gesellschafter die tarifvertraglich vereinbarte Jahressonderzahlung sicherstellt“, so Tobias Zejewski, zuständiger Gewerkschaftssekretär der ver.di.

Auch die Kurzfristigkeit dieser Mitteilung an die Beschäftigten – eine Woche vor dem vereinbarten Auszahlungstermin – stellt die Beschäftigten vor enorme Probleme. Die Jahressonderzahlung war bei den allermeisten schon fest eingeplant zur Bewältigung der enorm gestiegenen Lebenshaltungskosten, führt Zejewski weiter aus.

Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht sagt gegenüber 56aktuell: „Grundsätzlich gibt es keinen allgemeinen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld. Ein Anspruch entsteht aber zum Beispiel durch eine Tarifvertrag oder auch durch wiederholte freiwillige Leistung des Arbeitgebers.
Zahlt der Arbeitgeber mindestens drei Jahre regelmäßig ein Weihnachtsgeld ohne den Vorbehalt der Freiwilligkeit aus, ist für den Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch entstanden. Dieser ist dann als ungeschriebener Bestandteil des Arbeitsvertrags anzusehen“. Im Falle des GK-Mittelrhein liegen nach 56aktuell-Informationen ein Tarifvertrag und die bisherige regelmäßige Zahlung der Sonderzahlung vor.

„Ein Arbeitgeber kann sich die Leistungen eines verbindlichen Tarifvertrags, in diesem Fall des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes (TVöD), keinesfalls einfach aussuchen. Wir erwarten deshalb eine schnelle Lösung im Sinne der Beschäftigten vom Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein und dessen Gesellschaftern. Die Beschäftigten dürfen nicht die Leidtragenden einer jahrelang verfehlten Wirtschafts- und Gesundheitspolitik sein.“, kritisiert Frank Hutmacher, zuständiger Landesbezirksfachbereichsleiter der Gewerkschaft ver.di.
Die Jahressonderzahlung bewegt sich im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) je nach Eingru ppierung der jeweiligen Entgeltstufe zwischen 51,78 und 84,51 Prozent des durchschnittlichen monatlich gezahlten Entgelts, so verdi.

Das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein ist nach eigener Darstellung auf der Unternehmens-Homepage „eines der größten Gesundheitsunternehmen der Region und zählt zu den zehn größten Arbeitgebern in Rheinland-Pfalz“. Die Geschäftsführung der GK-Mittelrhein hat die Sana Kliniken AG. Der Vertrag dazu ist aber durch das Unternehmen zum 31. März 2023 gekündigt worden.

Gestern (Boppard), heute (Mayen und Kemperhof Koblenz), und morgen (Stift Koblenz und Paulinenstift Nastätten) finden Versammlungen statt, in denen die Geschäftsführung „Rede und Antwort stehen will“. Tobias Zejewski eben am 56aktuell-Telefon: „Und in Mayen hatten die Angestellten viele Fragen. Zwar hat die Geschäftsführung angekündigt, später nachzahlen zu wollen – der Weihnachtsgeschenkeeinkauf oder zwangsweise auch nur den Anteil an den gestiegenen Energiekosten sichert das den Beschäftigten aber nicht. Sie verstehen auch nicht, warum das – nach den ganzen Belastungen und vielen Versprechungen während der Pandemie – jetzt wieder auf ihren Schultern ausgetragen werden soll. Die Ärzte sind da übrigens fein raus: die bekommen zwar kein Weihnachtsgeld, haben aber in ihren Verträgen eine erhöhte monatliche Zahlung, die das ausgleicht. Es trifft also wieder mal den kleinen Mann – die kleine Frau“.

Nach Zejewskis Angaben sind 4300 Angestellte von der angekündigten Kürzung betroffen.