Home Topnews Streik: Ab heute Abend stehen die Busse schon wieder still – und das Land lässt die privaten Busunternehmen „im Regen stehen“

Streik: Ab heute Abend stehen die Busse schon wieder still – und das Land lässt die privaten Busunternehmen „im Regen stehen“

Massive Behinderungen ab morgen früh auch im Schulbusverlehr erwartet – Auswirkungen für den ÖPNV „noch nicht abschätzbar“ – angekündigte Ausgleichszahlungen des Landes lassen auf sich warten – ein Unternehmen fährt trotzdem

+++ Artikel ist stark kommentierend und stellt eine Bewertung durch den Verfasser dar +++

Region | 19. Januar 2022 | (ww). Ab heute Abend 20 Uhr werden schon wieder Rheinland-Pfalz-weit private Busunternehmen bestreikt. Die Gewerkschaft ver.di hat nach zwei erstreikten massiven Lohnerhöhungen in 2020 und 2021 die heutigen Manteltarifvertragsverhandlungen abrupt abgebrochen hat, teilt die Vereinigung der Arbeitgeberverbände des Verkehrsgewerbes Rheinland-Pfalz e.V. (VAV) heute Abend mit.

Was bedeutet das?

Busfahrer mit ver.di-Mitgliedschaft sind aufgerufen die Arbeit erneut niederzulegen. Erste Busse fahren bereits nicht. Auf der Seite der Koblenzer Verkehrsbetriebe (koveb) heißt es beispielsweise:

Sehr geehrte Fahrgäste, 

die Gewerkschaft ver.di hat ab Mittwoch, den 19.1.2022, um 20 Uhr zu Streiks im öffentlichen Personennahverkehr in Rheinland-Pfalz aufgerufen. Hintergrund sind die aktuellen Tarifverhandlungen des privaten Verkehrsgewerbes (VAV).  Die koveb ist ein sozialer Arbeitgeber und vergütet ihre Beschäftigten bereits jetzt übertariflich. Dennoch wird auch unser Unternehmen bestreikt. Wir bitten unsere Fahrgäste um Verständnis, sollte es zu Fahrtausfällen kommen. Wir können derzeit noch nicht abschätzen, wie sich die Situation in den frühen Morgenstunden am Donnerstag, den 20.1., darstellen wird.Aktuelle Meldung auf der Internetseite der koveb

In ganz Rheinland-Pfalz kann das erneut dazu führen, dass Schüler ab morgen früh, Donnerstag, 19. Januar, einfach an den Haltestellen stehen bleiben und die Schulen nicht erreichen. Gleiches gilt für die Menschen in der Region, die auf den ÖPNV für den Weg zur Arbeit angewiesen sind.

Worum geht es in dem Tarifkampf?

Wie immer um angemessene, also höhere Bezahlung. So weit, so gut. Allerdings sind ja bereits zwei massive Erhöhungen erstritten worden: „Die Mitarbeiter im Fahrdienst haben doch mit der deutlichen Lohnerhöhung um 28%, wie sie in keiner uns bekannten Branchen in Krisenzeiten sonst abgeschlossen wurde, bereits einen deutlichen Sprung bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen erfahren, warum kann man denn jetzt nicht den Druck vom Kessel nehmen“, bringt VAV Geschäftsführer Nagel sein Unverständnis in einer Pressemeldung zum Ausdruck. Leider war die Gewerkschaft ver.di da zu keinem Gespräch bereit und „verlangte auf Biegen und Brechen den Abschluss des Manteltarifvertrags am heutigen Tag, unabhängig der Frage, wie die massiven Forderungen durch die öffentliche Hand respektive durch den Steuerzahler refinanziert werden soll“, so die VAV weiter in ihrer Pressemitteilung.

Das Problem für die privaten Unternehmer sind die langfristig geschlossenen Beförderungs- und Linienbündelverträge der Kommunen. Eine inflationäre Steigerung der Lohnkosten könnte man ja noch als unternehmerisches Risiko verbuchen – eine Erhöhung, die aber fast ein Drittel der Lohnkosten erreicht, muss ausgeglichen werden. Das hat das Land Rheinland-Pfalz auch zugesagt – die Erhöhung vom September 2020 von 13,48 Euro auf 15 Euro und die zweite im November `21 auf 17,20 Euro werden jeweils seitdem gezahlt. Der zugesagte Ausgleich durch das Land ist aber bis jetzt nicht erfolgt – für kleine und mittelständische Unternehmen eine Katastrophe. Lediglich eine „Abschlagszahlung“ wurde geleistet. Und das mitten in der Pandemie, die auch das parallel geführte Busreisegeschäft der Unternehmen nahezu auf Null brachte, für einige private Busunternehmen kann das durchaus zur existenziellen Herausforderung werden. Die Löhne werden vereinbarungsgemäß bezahlt – die Erstattung durch das Land lässt auf sich warten, lediglich marginale „Abschlagszahlungen“ wurden nach über einem Jahr gutgeschrieben.

Doch die Leidtragenden sind einmal mehr die, die von dem Gebaren der eindeutig übertariflich und auch in der Pandemie komplett durchbezahlten Gewerkschaftsvertreter in den Verhandlungen, erst dadurch etwas erfahren, dass sie heute Abend oder morgen Früh in der nassen Kälte vergeblich auf ihren Bus warten.

Was wird gefordert?

Nach 56aktuell Informationen geht es jetzt auch um ein tariflich vereinbartes 13. Monatsgehalt und ein bislang branchenunübliches Durchbezahlen der Warte- und Stillstandszeiten. Für sich genommen sicher berechtigte Forderungen, allerdings sagt schon ein altes Sprichwort: „der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“ Allerdings könnte das Land Rheinland-Pfalz dieses symbolische Brechen verhindern, indem es endlich seinen Verpflichtungen nachkommt. Schließlich dürfen die Kommunen nach Gesetz nur den günstigsten Anbieter verpflichten. Wenn aber private Unternehmer gezwungen sind extrem knapp zu kalkulieren, sollten wenigstens politische Zusagen eingehalten werden. Und ob es dann von Seiten der Gewerkschaft Sinn macht, so massiv Druck auszuüben darf zumindest bezweifelt werden.

Und jetzt kommt die gute Nachricht zum Schluss:

Mindestens die von der Firma Modigell & Scherer aus Neuhäusel bedienten Linien fahren auch weiter, wenn der Rest von Rheinland-Pfalz streikt. Das betrifft zum Beispiel das Aartal: da fahren morgen lediglich die sechs Linien, die mit dem neuen Linienbündel durch das Unternehmen aus Neuhäusel bedient werden – der Rest wird wohl leider in der Kälte stehen bleiben. Ebenso werden alle M & S-Linien im Rhein-Lahn-Kreis weiter bedient und auch die „Stammlinie“ von Bad Ems nach Neuhäusel bleibt in Betrieb.

Willi Willig