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Weißenthurm: Wildwuchs ist gewollt

Wie die Stadt Weißenthurm einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt und zur Begrenzung der Klimawandelfolgen leisten will

Weißenthurm. Von einem Experiment spricht Bürgermeister Gerd Heim, noch dazu von einem, „das man der Bevölkerung erklären muss“, sagt er. Denn nicht alle sind – zumindest anfangs – davon angetan, wie sich die städtischen Grünflächen derzeit präsentieren: scheinbar wild wuchernd, jedenfalls nicht gemäht.

Weißenthurm hat das regelmäßige Mähen auf einigen Flächen eingestellt. Und zwar nicht mit der vorrangigen Absicht, Arbeit und Geld einzusparen. Vielmehr geht es um einen Beitrag zum Klimaschutz, für den Erhalt der Artenvielfalt. Um den möglichst gut zu gestalten, hat sich die Stadt fachkundigen Rat geholt, beim Ingenieurbüro für Umweltplanung in Koblenz. Nach einer Ortsbegehung wurde dann gemeinsam eine Procedere entwickelt, wie in den jeweiligen Bereichen das Mähen künftig umgesetzt werden soll und vor allem, wie und in welchen zeitlichen Abständen man mähen sollte.

„Es war uns sofort bewusst, dass das mit Sicherheit nicht direkt von allen akzeptiert werden würde“, erläutert Bürgermeister Heim. Schließlich waren die Weißenthurmer und Weißenthurmerinnen daran gewöhnt, dass Wiesen und Beete stets akkurat gepflegt wirken. Deshalb setzt Heim, auch über die Homepage der Kommune, auf Aufklärung: Wer erfährt, was mit weniger konsequenten Mähdurchgängen zu erzielen ist, werde eher geneigt sein, den Anblick hinzunehmen.

Die Böden trocken immer mehr aus

„Was wird denn wirklich damit erreicht?“, fragt Heim im Online-Auftritt der Stadt und fährt dort fort: „Wir stellen fest, dass durch die extrem starke Trockenheit im Sommer die Böden immer mehr und tief austrocknen und versanden. Fällt dann starker Regen auf diese Flächen, dringt das Wasser kaum in den Boden ein, sondern festigt zudem die Oberfläche. Bei den ungemähten Flächen halten sich zwischen den Grashalmen viele Insekten auf, die als Nahrung für viele andere Tiere wichtig sind. Wir stellen fest, dass es immer weniger Vögel gibt und die Artenvielfalt der Bodentiere abnimmt. Jeder Mähvorgang tötet dabei diese Bestände an Insekten ab und die Folgen kann sich jetzt jeder selbst ausmalen. Alles Kleingetier, was uns zum Teil oft verborgen bleibt, ist für andere Tiere Teil einer Nahrungskette.“

Blumenbeete, Insektenhotels, Nistkästen

Auf zahlreiche Unterstützer in Weißenthurm setzt der Stadtrat, der dieses Vorgehen beschlossen hat. Viele Bürgerinnen und Bürger engagierten sich bereits für Klimaschutz und Artenvielfalt, indem sie mit zusätzlichen Blumenbeeten, Insektenhotels, oder dem Anbringen von Nistkästen für unterschiedliche Vogelarten einen wichtigen eigenen Beitrag leisteten.

Der Mensch solle bereit sein, auch einmal ungemähte Bereiche zu akzeptieren und der Natur, die für uns alle so wichtig ist, den Vorrang zu lassen, heißt es auf der Homepage der Stadt dazu. Und weiter: Es gibt in unserer Stadt viele Bürgerinnen und Bürger die das unterstützen und selbst stark daran mitwirken, der Natur mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sich für sie einzusetzen und durch eigene Initiativen, der Biodiversität, dem Klimaschutz und der Artenvielfalt gerecht zu werden.

Unterstützung vom Kreis

Zu den Unterstützern zählt zweifelfrei Dr. Rüdiger Kape, von der Stabsstelle Integrierte Umweltberatung bei der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz. „Ein regelmäßig gemähter Rasen ist unter dem Aspekt der Biodiversität eigentlich eine weitgehend tote Fläche“, sagt er und betont, der Kreis kümmere sich bereits seit einigen Jahren um das Thema Biodiversität, auf verschiedenen Ebenen: So initiiere das vom Land geförderte Projekt „Mehr als Grün“ so genannte Vorzeigeflächen, die insekten- und vogelgerechter sind.

Und zudem berate der Kreis Mayen-Koblenz Kommunen, Schulen und Kitas zur Grüngestaltung pro Biodiversität. Eine solche Beratung hat auch die Stadt Weißenthurm genossen; das Nichtmähen ist laut Kape auch ein Ausfluss dieser Beratung; der ohnehin motivierte Stadtrat griff die Vorschläge auf.

Die Stadtspitze betont den Charakter eines Probelaufs, steht aber auch ausdrücklich zu dessen Zielen. In der Bürgerinformation heißt es dazu: „Biodiversität, Klimaschutz, Schutz der Artenvielfalt. Das sind die Herausforderungen, denen auch wir uns in der Stadt Weißenthurm stellen müssen. Die Natur hat andere Ansprüche als der Mensch und der Mensch muss ständig dazulernen, will er mit der Natur und einer großen Artenvielfalt an Fauna und Flora weiter bestehen.“

In diesem Sinne startet parallel die Verbandsgemeinde Weißenthurm den Wettbewerb „Aus Grau mach Bunt“. Bis zum 29. Oktober können sich Bürgerinnen und Bürger um Preise bewerben, wenn sie zuvor Schottergärten in grüne oder blühende Oasen verwandelt und dies auch dokumentiert haben.

Weitere Informationen bei der Verbandsgemeinde Weißenthurm unter Telefon 02637 – 91 33 43 (Klimaschutzbeauftragte Jennifer Vogt, , Mail [email protected]) oder bei der Kreisverwaltung Mayen Koblenz, Dr. Rüdiger Kape, Telefon 0261 / 108-420,

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Kommunen Machen Klima

Nachmachen erwünscht!

Klimawandel und Energiewende sind Herausforderung und Chance zugleich. Den Kommunen kommt bei ihrer Bewältigung eine zentrale Rolle zu – sie gestalten mit ihren Entscheidungen, Maßnahmen und Projekten die Zukunft ihrer Bürgerinnen und Bürger. Und sie sind in vielen Fällen Vorbilder beim Einsatz für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt.

Eine Reihe von besonders gelungenen Beispielen präsentieren wir nun regelmäßig an dieser Stelle: erfolgreiche Projekte, innovative Lösungen, ermutigende Erfolge, Chancen für die Zukunft. Alle zwei Wochen, immer dienstags, finden Sie hier einen neuen Beitrag – verbunden mit der Hoffnung, dass die vorgestellten Taten möglichst viele Nachahmer finden werden. Denn der interkommunale Austausch kann Klimaschutz, Energiewende und eine klimaangepasste Entwicklung beflügeln. Kurz: Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht!

Auch diese „Best-Practice“-Serie ist eine Gemeinschaftsaktion. Sie wird getragen von Landkreistag, Gemeinde- und Städtebund, Städtetag und der Energieagentur Rheinland-Pfalz, unterstützt vom Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen.

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Quelle: Energieagentur RLP