Müden / Mosel | 15. Dezember 2024 | (Willi Willig). Aufatmen an der Mosel und im gesamten Dreiländereck Frankreich – Luxemburg – Deutschland: am gestrigen Samstag haben zwei mit Spannung erwartete Testläufe in der Moselschleuse Müden funktioniert! Die geplante Behelfsschleusung, für die 72 moselaufwärts seit dem Unfall am vergangenen Sonntag festsitzenden Schiffe, kann ab Montag beginnen. Ein mit 1500 Tonnen Schrott beladenes Schiff war am 8. Dezember „nahezu ungebremst“ in das Untertor der Schleuse Müden gekracht. Möglicherweise könnte ein technischer Defekt zu dem Unfall geführt haben. Die beiden rund 40 Tonnen schweren Untertor-Flügel wurden bei dem Aufprall aus den Verankerungen gerissen, die Tore ungefähr zwei Meter in die Schleusenkammer gedrückt.
Nach ersten Schätzungen könnte die Reparatur bis Ende März andauern, solange wären auch die Schiffe oberhalb gefangen – wenn der Plan zur Not-, bzw. Behelfsschleusung nicht aufgegangen wäre. Seit 10 Uhr am Samstag werden die festliegenden Schiffe nun durch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Mosel-Saar-Lahn kontaktiert, um wichtige Daten wie Art der Ladung, Tiefgang, Erreichbarkeit und Standort zu erfragen. Mit diesen Daten wird am heutigen Sonntag eine Liste zur Festlegung der Reihenfolge für die Schleusung erstellt. Aufgrund verschiedener Randbedingungen der Schifffahrt stellt das eine logistische Herausforderung für das WSA dar, heißt es in einer Pressemitteilung von gestern Abend. Allerdings hat das Team des WSA nicht nur in der vergangenen Woche unter Beweis gestellt, dass es mit Herausforderung sehr gut umgehen kann.
Ulrich Zwinge vom WSA findet auch am heutigen Sonntag Zeit, um am 56aktuell Telefon den Stand der Dinge zu schildern.
„Wir nutzen den inneren Revisionsverschluss als Behelfstor“, beendet Zwinge die Spekulationen um das Behelfsschleusungsverfahren. „Für jeden einzelnen Schleusenvorgang muss der, aus neun Dammbalken bestehende, Revisionsverschluss ein- und wieder ausgebaut werden. Dafür wird ein Kran, sowie Taucherunterstützung für die ersten vier Balken benötigt“, so Zwinge. Der Trick: unter den ersten Dammbalken sind Abstandhalter gebaut worden, sodass ein etwa 15 Zentimeter breiter Spalt bleibt, durch den das Moselwasser dauerhaft abfließt. „Die Testläufe gestern sind aus Sicherheitsgründen noch ohne Schiff in der Kammer gemacht worden“, so Zwinge.
Die Behelfsschleusung wird also folgendermaßen funktionieren:
- Der aus neun, jeweils 1,25 Meter hohen Balken bestehende Revisionsverschluss wird komplett eingebaut
- Durch die Schütze am Obertor wird Moselwasser in die jetzt „nur“ noch etwa 160 Meter lange Schleusenkammer gelassen, der Wasserstand in der Schleuse steigt um etwa 6,50 Meter
- Das Obertor wird geöffnet, jeweils ein Schiff fährt, besonders behutsam und geleitet, ein
- Das Obertor wird wieder geschlossen.
- Durch den Schlitz im Revisionsverschluss läuft die Schleusenkammer leer, laut Zwinge dauert dies ungefähr 45 Minuten, das Schiff sinkt dabei um rund 6,50 Meter ab auf „Unterwasser“-Niveau
- Der Revisionsverschluss wird in umgekehrter Reihenfolge ausgehoben
- Das Schiff fährt aus
„So eine Behelfsschleusung wird ungefähr vier bis 6 Stunden dauern“, so Zwinge. Um die 72 Schiffe möglichst schnell moselabwärts zu bekommen, wird ein 24 Stunden-Betrieb eingerichtet. „Wir hoffen fünf bis sechs Schiffe pro Tag schleusen zu können“, rechnet Zwinge vor. Zum Vergleich: der normale Schleusenvorgang in Müden dauert etwa 20 Minuten.
„Die Logistik dahinter ist entscheidend, die Schiffe liegen an der gesamten Obermosel und teilweise an der Saar, die Anfahrt bis Müden wird Stunden, teilweise einen Tag in Anspruch nehmen. Das muss gut koordiniert sein. Es gibt übrigens auch noch leere Schiffe oberhalb der Schleuse – die nehmen jetzt gegebenenfalls noch Ladung auf, um möglichst viel Tonnage geschleust zu bekommen“, erläutert Ulrich Zwinge. Das liegt auf der Hand – denn das Behelfsschleusen funktioniert nur in eine Richtung, nämlich talwärts und dient lediglich der „Befreiung der Binnenschiffe“, die sonst bei monatelangem Stillliegen in der wirtschaftlichen Existenz bedroht wären. Möglich ist derzeit auch noch, dass einige Schiffe oberhalb der Schleuse bleiben, um eventuell umzuladendes Transportgut weiter zu befördern, die Planungen gehen zurzeit in alle Richtungen. „Ein Teil der Transportkette muss auf jeden Fal für Monate verlagert werden“, fasst Zwinge zusammen.
Am Montag beginnt das Projekt „Behelfsschleusung“ zunächst mit einem eher kleineren Schiff mit relativ wenig Ladung. „Da geht es darum möglichst viele Erfahrungen zu sammeln, schließlich wurde so etwas noch nie gemacht“, schließt Ulrich Zwinge und fügt auf die letzte Frage noch an: „Nein, gefeiert haben wir die gelungenen Versuche gestern noch nicht. Heute haben nochmal alle, die freimachen können auch frei – es gibt für das ganze Team in den nächsten Wochen noch genug zu tun. Gefeiert wird zum Schluss.“
Fotos: WSA / Ulrich Zwinge