Koblenz | 28. November 2023 | (ww). Ist die fristlose Kündigung des Studienvertrages eines Drittsemesters aus der „WHU – Otto-Beisheim-School of Managment“ rechtens, weil dieser Erstsemester „zum Saufen bis der Arzt kommt“ genötigt hat? Mit dieser Frage hatte sich jetzt (ernsthaft) die 14. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu befassen.
Der Kläger studiert seit drei Semestern an der privaten Hochschule, einer „internationalen Business School mit Standorten in Vallendar und Düsseldorf“. Er wendet sich gegen die von der WHU ausgesprochene fristlose Kündigung seines Studienvertrags. Traditionell findet an der Hochschule zum Start des Wintersemesters eine Einführungswoche statt, in der Studierende aus höheren Semestern (sog. „Paten“) die neuen Erstsemester (sog. „Patenkinder“) in einer von der Hochschule vorab eingeteilten „Patengruppe“ betreuen und sie in das Hochschulleben einführen. Aufgrund in der Vergangenheit stattgefundener Trinkgelage zum Semesterstart teilte die Hochschule per E-Mail allen Studierenden mit, dass dies von Seiten der Hochschule unerwünscht sei und mit entsprechenden Konsequenzen bis zur Kündigung des Studienvertrags geahndet werde.
Der Antragsteller übernahm gemeinsam mit anderen Drittsemesterstudenten eine Patengruppe, bestehend aus fünf Erstsemesterstudenten. In der Einführungswoche luden die „Paten“ die Erstsemesterstudenten in die Wohnung des Antrag-stellers zu einer privaten Feier ein. Der Abend endete unter anderem damit, dass ein Erstsemesterstudent völlig betrunken im Bad lag und ein anderer erheblich alkoholisiert von einem Rettungswagen in eine Klinik gebracht werden musste.
Die Hochschule kündigte dem Antragsteller fristlos und sprach ein Hausverbot aus, da er als Mitglied der „Patengruppe“ die ihm zugewiesenen Erstsemesterstudenten massiv unter psychischen Druck gesetzt habe, Alkohol zu konsumieren. Dagegen ging der Drittsemester nun rechtlich vor.
Die 14. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat jetzt entschieden: die von der Hochschule ausgesprochene Kündigung ist rechtmäßig.
Die Begründung: Der Antragsteller hat schuldhaft gegen seine Pflichten aus dem Studienvertrag, alles zu unterlassen, was geeignet ist, das Ansehen der Hochschule zu beeinträchtigen, verstoßen – eine Fortsetzung des Studienvertrages sei nicht mehr zumutbar. Bei ihrer Entscheidung hat die Kammer berücksichtigt, dass es grundsätzlich nicht zur Kündigung des Studienvertrags führen muss, wenn sich erwachsene Studierende, auch noch in einer Privatwohnung, zusammen betrinken, auch wenn dies – wie hier geschehen – eskaliert.
Die Kammer sieht gravierende Pflichtverletzung des Antragstellers gegenüber der Hochschule, die das Festhalten am Studienvertrag unzumutbar machen:
- Der Antragsteller veranstaltete die Feier in seiner Funktion als „Pate“. Er hatte damit eine von der Hochschule eingeräumte offizielle Position inne, die das Bild der Hochschule gegenüber neuen Studierenden präge und mitbestimme.
- Im Falle eines Krankenwageneinsatzes wegen eines stark betrunkenen Erstsemesterstudenten ist zudem das Bild der Hochschule in der Öffentlichkeit betroffen und damit offensichtlich geeignet, deren öffentliches Ansehen zu beeinträchtigen.
- Außerdem hatte die Hochschule wegen ähnlicher Eskalationen in der Vergangenheit alle Studierenden ausdrücklich gewarnt und mit Konsequenzen bis zur fristlosen Kündigung des Studienvertrags gedroht. Der Antragsteller war also vorgewarnt und kann sich nicht auf ein übliches und stillschweigend geduldetes Verhalten gegenüber Neuankömmlingen berufen, das bekanntermaßen in Burschenschaften in früheren Zeiten gang und gäbe war. Insbesondere unter diesem Aspekt erscheint die fristlose Kündigung des Studienvertrages auch im Ergebnis nicht unverhältnismäßig.
Kern des Vorwurfs sei aber, dass der Antragsteller gegenüber den Erstsemestern eine sozial überlegene Position als Drittsemester und seine offizielle Funktion als Pate genutzt hat, um neue Studierende der WHU massiv unter psychischen Druck zu setzten, Alkohol zu konsumieren, um kein Außenseiter zu sein und Teil der Hoch-schulgemeinschaft zu werden. Die Drohung mit sozialer Isolation von Seiten eines erfahreneren Stu-denten, zumal in einer kleinen Hochschule, ist geeignet, einen neuen Studenten einzuschüchtern und in eine Zwangslage zu versetzen. Insofern ist nachvollziehbar, dass die Erstsemester nicht einfach aus der Wohnung der ihnen von ihrer Universität zugeteilten „Paten“ weggegangen sind.
Quelle: PM Landgericht Koblenz
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