Home » Bad Ems: Vorfälle beim D-Jugendspiel weit extremer, als im Polizeibericht geschildert

Bad Ems: Vorfälle beim D-Jugendspiel weit extremer, als im Polizeibericht geschildert

Auseinanderstezungen gingen außerhalb des Spielfelds weiter - auch Jugendliche gingen auf Gastmannschaft los

Bad Ems | 11. April 2025 | (Willi Willig). Am Mittwochabend kam es in Bad Ems bei einem D-Jugendspiel im Stadion Silberau zu erschreckenden Szenen (wir berichteten). Im Polizeibericht wurden die Ereignisse wie folgt geschildert:

Gegen 19.10 Uhr kam es im Stadion Insel Silberau während der Begegnung des VFL Bad Ems mit der SV Bogel bei einem D-Jugend-Fußballspiel zu einem körperlichen Angriff auf eine 40jährige Schiedsrichterin. Zwei bis drei männliche Zuschauer zeigten sich mit einer Entscheidung nicht einverstanden und betraten das Spielfeld. Im Wortgefecht wurde sie von einem bereits identifizierten 35-jährigen Mann beleidigt. Ein weiterer, bislang unbekannter Täter, schlug ihr unvermittelt ins Gesicht und bedrohte die Unparteiische. Daraufhin musste die Begegnung abgebrochen werden.

Im Gespräch mit dem Vorsitzenden des VFL Bad Ems, Daniel Jores, zeigt sich aber eine weitaus erschreckendere Dimension der Vorfälle, als es der Polizeibericht erahnen lässt. Nach einem Foul in der 57. Spielminute (gespielt wird in der D-Jugend zwei Mal 30 Minuten, die Red.) kam es zu massiven Beleidigungen und Drohungen gegen die 40jährige Schiedsrichterin auf dem Kleinspielfeld. Bemerkenswert professionell deeskalierte der Jugendleiter die Situation zunächst, erteilte der eskalierenden Gruppe aus dem Publikum der eigenen Mannschaft Hausverbot und Stadionverweis und trennte die Konfliktparteien so auch räumlich voneinander. Da die Eltern ihre Kinder mitnahmen, war das Spiel faktisch beendet. Als dann Jugendleiter, Trainer, Gastmannschaft und Schiedsrichterin nach mindestens zehnminütiger Wartezeit ebenfalls zum Parkplatz wollten kam es zur gewalttätigen Auseinandersetzung auf dem Weg zwischen Kleinspielfeld und Turnhalle, bzw. Parkplatz. Dort gingen nach Angaben des Vorsitzenden und des Jugendleiters Spieler der eigenen Mannschaft auf die Jugendlichen aus Bogel los, die gleiche Gruppe der Eltern der Heim-Mannschaft ging die Schiedsrichterin erneut an. Dieses Mal bleib es aber nicht bei derben Beleidigungen, es fielen sogar Todesdrohungen, die Schiedsrichterin sei mehrfach ins Gesicht geschlagen und dabei verletzt worden, bis Trainer und Jugendleiter dazwischen gehen konnten und die Polizei alarmierten. Beim Eintreffen der Polizei waren der oder die Täter nicht mehr vor Ort, außer einem Mann sind den Trainern die Handlenden Personen leider nicht persönlich bekannt. „Die Schiedsrichterin wurde in der Notaufnahme eines Krankenhauses behandelt und hat glücklicherweise keine Frakturen davongetragen. Was dieser Vorfall mit der Psyche machen mag, ist aber für mich und uns nur schwer einzuschätzen“, so der VFL-Vorsitzende Daniel Jores.

Die Vereinsführung des VFL, speziell Daniel Jores, selbst jahrelang Jugendleiter im Verein und seit Kindesbeinen beim VFL, ist entsetzt. „Wir schämen uns. Gerade in der VFL-Jugendarbeit hat die Integration immer einen sehr hohen Stellenwert gehabt und wird den auch weiterhin haben. Wir haben Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Herkunft in den verschiedenen Mannschaften und sind sehr betrübt, dass dieser erschreckende Vorfall gerade von Eltern mit eben diesem Hintergrund ausging. Die Mannschaft selbst hat dank der engagierten Trainer bislang sehr gut funktioniert. Natürlich gab es bei den teilweise pubertierenden immer mal den einen oder anderen mit einem Aussetzer, das hielt sich aber im Rahmen. Was diese Eltern oder Verwandten sich da aber jetzt geleistet haben und welches Vorbild sie damit geben stimmt mich traurig und fassungslos. Hier wurden die Werte des VFL mit Füßen getreten und das werden wir mit aller Konsequenz ahnden“, so Daniel Jores.

Kurzinterview mit Daniel Jores, Vorsitzender des VfL Bad Ems im Video:

Alle Details im ausführlichen Interview in Textform: 

56aktuell: Daniel, was ist denn nach deinem Kenntniss-Stand vor Ort passiert?

Daniel Jores: Wir hatten am Mittwoch ein D-Jugendspiel Meisterschaftsspiel. Kurz vor Schluss gab es ein `Allerwelts-Foul` an einem Spieler unserer Mannschaft. Die Schiedsrichterin hat das Foul gepfiffen. Der Spieler hat sich etwas theatralisch auf dem Boden gewälzt. Das hat den Vater als Zuschauer draußen sehr in Rage gebracht, der dann wutentbrannt das Spielfeld betreten hat, seinen Sohn aufgehoben hat und die Schiedsrichterin dann sofort mit Beleidigungen und versuchten Handgreiflichkeiten attackiert hat.

56aktuell: Im Polizeibericht heißt es, es sei dann zu einem Schlag ins Gesicht gekommen und zum Spielabbruch.

Daniel Jores: Das kann ich so nicht bestätigen. Die Schiedsrichterin hat natürlich im Moment das Spiel unterbrochen, da es da schon zu einem Handgemenge kam. Unsere Trainer und unsere Verantwortlichen vom Verein sind in Windeseile dazugestoßen und haben die Schiedsrichterin und Spieler vor den Zuschauern geschützt und weggezogen. Unser Jugendleiter hat auch sofort ein Hausverbot / Platzverbot ausgesprochen und hat die aggressiven Zuschauer unserer Mannschaft vom Feld verwiesen. Die sind Richtung Kabinentrakt gegangen, haben aber auch die Kinder mitgenommen, weswegen es ja auch faktisch zum Spielabbruch kam. Unser Jugendleiter hat dann die Gästemannschaft und die Schiedsrichterin auf dem Platz gelassen, zum Schutz und hat zehn Minuten gewartet, bis sie dann auch Richtung Kabinentrakt gegangen sind, damit sich die ganze Situation ein bisschen beruhigt und die Gemüter sich abkühlen.

56aktuell: Das hat aber letztlich nicht funktioniert. Im Gegenteil: es wurde noch heftiger

Daniel Jores: Jeder hat gedacht, die Gemüter sind abgekühlt, die betroffenen Personen sind weg. Man ist dann den Weg Richtung Kabinentrakt gegangen und ich sag mal auf Hälfte des Weges kamen dann die Spieler sowie auch Zuschauer und Eltern wieder entgegen und es ging dann anscheinend sofort in einem Handgemenge der Jugendlichen los. Aber auch die erwachsenen Väter sind dann wieder sofort ohne Ankündigung auf die Schiedsrichterin los und in diesem Zusammenhang gab es dann Schläge. Die Schiedsrichterin ist im Gesicht getroffen worden, ist wiederum beleidigt und bedroht worden, es wurde sogar versucht sie zu würgen. Unsere Trainer und Betreuer sind wieder dazwischen gegangen, aber das ging halt so schnell, dass man diese Schläge und diese Auseinandersetzung erstmal gar nicht verhindern konnte. Das hätte wahrscheinlich noch viel, viel schlimmer enden können, aber man hat dann die Situation auseinanderbekommen, hat diese Personen alle wegschicken können, auch der laut angekündigte Anruf bei der Polizei hat da wohl gewirkt. Aber die Drohungen, die dabei gefallen sind, hatten auch schon eine extreme Qualität, die Beleidigungen der Schiedsrichterin kann man nur als Hardcore bezeichnen.

56aktuell: Was hat dieser Vorfall mit dir und dem Team des VFL gemacht?

Daniel Jores: Das ist eine Situation, die man sich nicht wünscht, die man keinem Verein, in keiner Sportart, wünscht. Wir haben auch immer gedacht, so was geht an uns vorbei, aber weit gefehlt. Jetzt sind wir mittendrin. Wir als VfL Bad Ems sind sehr, sehr offen gegenüber allen Religionen, allen Nationalitäten. Bei uns ist jeder herzlich willkommen. Wir haben Werte hier im Verein. Das heißt, wir sind gegen Gewalt, gegen Rassismus, gegen Diskriminierung, gegen Hass, vor allem gegen Fremdenhass. Bei uns darf jeder Fußball spielen, jeder ist hier herzlich willkommen. Alles andere geht nicht mit unseren Werten einher. Ich bin geschockt, dass hätte ich hier nicht für möglich gehalten. Ich möchte aber betonen, dass das von den Zuschauern ausgehend ist. Und meine Trainer, meine Betreuer und Jugendleiter haben das absolut Richtige getan, sind sofort dazwischen gegangen, haben Zivilcourage bewiesen, haben die Schiedsrichterin und auch die Gästespieler und auch Elternbetreuer geschützt vor diesen, ich will es einfach bei Namen nennen, vor diesen Idioten.

56aktuell: Du warst selber lange Jahre Jugendleiter hier im VfL und hast diese Werte und die Integration gelebt. Was sagst du dazu, dass die Vorfälle jetzt gerade von Menschen mit Migrationshintergrund – für die ihr euch so einsetzt – ausgingen?

Daniel Jores: Ja, gerade in dieser diese D-Jugend sind 16, 17 Kinder – davon 14 mit Migrationshintergrund dabei. Ob es Syrer sind, ob es Türken sind, ob es Afghanen sind, Afrikaner, Äthiopier, Polen, Russen oder Deutsche – es ist alles immer gut gegangen, die Kinder spielen zusammen Fußball und darum geht es ja auch. Aber wir sprechen hier nicht über die Kinder, wir reden über die erwachsenen Zuschauer, die von außen diese Wut, diese Eskalation in das Spiel gebracht haben. Nun reden wir aber auch davon, dass danach unsere Kids auf die Kinder der Gegenmannschaft losgegangen sind. Aber kein Kind kommt auf die Welt und ist von Natur aus böse oder will irgendjemandem was Böses. Das wird vorgelebt – und so etwas ist dann am Ende das Resultat davon.

56aktuell: Was sind die Konsequenzen des Vorfalls? 

Daniel Jores: Wir als Verein haben uns schnell dazu zu entschlossen, dass wir diese Mannschaft vom Spielbetrieb mit sofortiger Wirkung zurückziehen. Jetzt könnte man sagen, dann sind ja die Kinder wieder die Leidtragenden, aber wir müssen hier ein Zeichen setzen und können das so nicht tolerieren und werden das auch nicht tolerieren. Wir werden jetzt im Laufe der nächsten Tage und Wochen, auch mit Hilfe der Polizei und des Gastvereines, herauszufinden wer aktiv beteiligt war. Das wird dann auch über die Saison hinaus individuell harte Konsequenzen haben. Ich sag es noch einmal: Das sind nicht die Werte des VfL Bad Ems, wir wollen so etwas nicht und werden dem auch einen absoluten Riegel vorschieben. Davon unberührt hält der VFL aber an seinen Werten natürlich weiter fest – die Integrationsarbeit ist und bleibt wichtiger Teil der Jugendarbeit des VFL Bad Ems.

56aktuell: Vielen Dank, Daniel Jores, Vorsitzender vom VfL Bad Ems, im Interview zu den Vorfällen beim D-Jugendspiel gegen die SV Bogel am vergangenen Mittwoch in Bad Ems.

Foto: Facebookseite VfL Bad Ems