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„Blutgruppe Opel positiv“ – wenn die Liebe zum Altblech in den Genen steckt

Vor dem 4. Oldtimertreffen am Samstag in Bad Ems, blicken wir mit Altblech-Freunde-Gründer Marcus Wirtz auf Clubgeschichte und Hobby

Am Samstag laden die Altblech-Freunde Bad Ems bereits zum 4. Mal zum Oldtimertreffen ans alte Wasserwerk in die Wiesbach. Nicht nur nach rheinischer Redensart ist das Event damit sogar schon eine Stufe höher als eine „Tradition“ angesiedelt, bei Fach- und Familienpublikum hat das Event sowieso schon Kultstatus. Grund genug einmal ausführlich über die Idee, die Anfänge und das Hobby generell zu plaudern. 56aktuell besuchte Marcus, Günther und Elise.

Eine Reportage von Willi Willig

Bad Ems. Eigentlich waren sie wohl schon von „Geburt“ an füreinander bestimmt. Trotzdem dauerte es fast fünf Jahrzehnte, bis sie sich gefunden haben. Was sie verbindet, ist eine ganz besondere Form von Zuneigung – die Liebe zum Altblech. Günther ist genau einen Monat jünger als Marcus. Oder besser: „Günndä“ ist im Februar `70 vom Band gerollt, „de Wärtz“ erblickte im Januar des gleichen Jahres in Bad Ems das Licht der Welt. Marcus „Wärtz“ Wirtz hat zwei große Hobbies. Musik und Autos. Musik am besten selbst gemacht (aber das ist ein anderes Thema) und Autos nur aus einer Zeit, als diese noch „echte Autos waren, als man noch keinen Laptop gebraucht hat, um einen Fehler zu finden, als man noch am Motorgeräusch und der Silhouette Marke und Typ erkannt hat“.

Und wenn wir schon mal grade beim Thema Marke sind: im Hause Wirtz gibt es nur eine Marke: Opel. Schon der Papa fuhr Opel, der erste an den sich der heute 53-Jährige erinnert war der Familien C-Kadett. „Das müsste so 75 /76 gewesen sein“, seitdem kommt nichts mehr anderes (mit vier Rädern) ins Haus. Dass das Blitz-Gen erblich ist, ist übrigens spätestens mit der nächsten Wirtz-Generation amtlich: Sohn Yannick teilt nicht nur die Leidenschaft „für Autos, die noch Autos waren“ sondern auch für die Marke und hat sogar sein Berufsleben damit verknüpft: „Da kam er ganz von selbst drauf, er hat sogar darauf bestanden KFZ-Mechatroniker in einer Opel-Werkstatt zu lernen“, verrät der stolze Papa – zumindest in den Adern der männlichen „Wirtze“ wird quasi Blutgruppe „Opel, positiv“ gepumpt.

Doch zurück zum Anfang unserer Geschichte. Zwischen Günndä und dem Wärtz stand erstmal eine Frau. Und damit ist keineswegs Birgit gemeint, Ehefrau von Marcus und Mutter von Yannick, die „den ganzen Kram mitmacht und uns machen lässt“. Die erste große automobile Liebe von Team Wirtz heißt Elise, blaue Elise um genau zu sein. Diese hat mit dem ungeschickten Erdferkel aus der Zeichentrickserie „Der rosarote Panther“ aber nur wenig gemein. Sie ist ein Ascona, Baujahr `71. „Sie ist ein echtes Motorsportgerät, sie ist laut und hart gefedert“, schwärmt Marcus inmitten der gut bestückten, akkurat aufgeräumten und mit zahlreichen Opel-Devotionalien gespickten Werkstatt. Rund 800 Arbeitsstunden haben Vater und Sohn in die Restaurierung von Elise gesteckt, danach zahlreiche Oldtimer-Rallys und Ausfahrten gemeinsam bestritten. Jetzt ist Elise aber quasi nur noch Nummer zwei im Hause, bzw. in der Werkstatt Wirtz – in der Bad Emser Kirchgasse macht sich nach dem Umzug von Elise in die Zweitgarage (wo übrigens auch das Alltagsauto der Familie, natürlich ebenfalls ein Opel, ein Insignia, steht) seit 2021 Günndä breit.

Günndä ist ein „Opel Rekord C Caravan in der seltenen Luxusausführung, als 1900er. Das Auto wurde früher gerne als Handwerkerauto genutzt. Bäcker, Schlosser, Maler haben den gerne wegen des riesigen Platzangebotes genutzt. Davon gibt es nicht mehr viele, vor allem nicht in diesem Zustand, als Handwerkerauto sind die ja meist echt durchgenudelt worden“, referiert der stolze Besitzer. Günndä ist aber im Gegensatz zu Elise noch im nahezu perfekten, unrestaurierten Originalzustand inklusive Original-Lack. „Der ist aber auch nur so gut, weil er 25 Jahre – also fast die Hälfte seines Lebens – bei einem Opelhändler im Schaufenster stand“, verrät Wirtz. Den Rekord hat er in einer Online-Anzeige entdeckt, sofort angerufen und zugeschlagen – jetzt heißt er Günndä, ist Familienmitglied und auch Birgit fährt – im Gegensatz zu Elise – im Caravan mit der Luxusausstattung gern mal mit. Luxusausstattung? Was bedeutete das im Jahre 1970? Ein Radio, ein zweiter Außenspiegel, Chromdachreling, Chrom-Zierrat und Kunstledersitze. Schon von dem, was mein heute so als Standard betrachtet, ist das weit entfernt, von Luxus ganz zu schweigen – aber seinen Charme hat es schon. Übrigens gibt es auch bei Günndä Annehmlichkeiten, wenn dann allerdings versteckt. So ist etwa ein modernes Radio im Handschuhfach verbaut und auch die Abdeckung im Kofferraum mit den eingebauten Boxen ist „modärn“, kann aber man zum Treffen rausgenommen werden, am Original-Zustand wurde da nichts verändert. Optisch angepasst an die Kunstleder-Ausstattung und versehen mit umhäkelter Klopapier-Rolle sowie Wackel-Dackel fügt sich diese Anpassung harmonisch ins Gesamtbild.

Den Oldie Fuhrpark der Familie runden hobbymäßig gesehen der C-Kadett Coupe ab, den Yannick zum 18. bekommen hat und mit dem es dann aller spätestens mit Vollgas ins Hobby ging, und je eine Schwalbe für Vater und Sohn. „Nicht von Opel, aber das schönste Oldie-Moped, das zu bekommen ist“, erläutert das Gründungsmitglied der Altblechfreunde. Letztes motorisiertes Objekt im Hause: der Alltags-Insignia. Ob der so gepflegt wird, dass er auch mal ein Oldie wird, will der Verfasser dieser Zeilen wissen. „Ich glaube nicht, dass diese modernen Fahrzeuge mit den ganzen Steuergeräten, bei denen man ohne angeschlossenes Laptop keinen Fehler mehr finden kann, überhaupt 50 Jahre alt werden. Ich denke nicht, dass die dann noch fahren“, gibt Wirtz seine Prognose ab. Der Insignia wird übrigens dann genutzt, wenn die Witterung zu schlecht für Günndä ist – in dem Fall müssen Wirtze übrigens aber auch zuerst einmal in die einige Gehminuten entfernt gelegene Zweitgarage – während Günndä dann zu Hause im Trockenen bleibt. Der Mitbewohner Baujahr ´70 genießt eindeutig einen Sonderstatus im Hause Wirtz, er wird gehegt und gepflegt. „Für mich ist das übrigens extrem nachhaltig, wenn ein Auto auch nach über 50 Jahren noch zuverlässig seinen Zweck erfüllt“, greift Wirtz eine immer wieder mal geäußerte Kritik am Hobby und den Ausfahrten auf.

 

Seit dem 23. Dezember 2019 zieht das Phänomen Altblech auch in der Kurstadt Bad Ems immer mehr Fans und Freunde in seinen Bann. Das eigentlich Sepp Herberger zugeschriebene Zitat „Elf Freunde müsst ihr sein“ gilt auch im Fall der Altblech-Freunde. Elf Gründungsmitglieder legten („aus einer Bierlaune heraus“, lacht Marcus Wirtz) den Grundstein für den Verein – heute sind es derer 70.  Bereits im ersten Coronajahr stand die Premiere für das eigene Treffen in der Wiesbach an. „Da hatten wir echt Glück mit unserer Veranstaltung. Im Herbst gingen die Zahlen runter, wir konnten mit einem aufwändigen Hygienekonzept stattfinden. Und sie haben uns die Bude eingerannt“, erinnert er sich. 170 Teilnehmer kamen mit ihren Fahrzeugen, das junge Konzept war zum Beispiel verkehrstechnisch leicht überfordert. Doch das, was den Schrauber ausmacht, kam auch hier zum Tragen: mit Improvisation wurde gleich die Premiere ein voller Erfolg. Bereits für das zweite Treffen – immernoch unter Coronabedingungen – wurde das Verkehrskonzept angepasst. Bei Treffen Nummer 3, gemäß rheinischer Überlieferung damit schon im Traditionsstatus, sollten die Teilnehmer sich voranmelden, das hat man für dieses Jahr wieder auf „Werkseinstellung“ zurückgesetzt.

An diesem Samstag darf jeder mit einem Fahrzeug mit einem Baujahr vor bzw. bis `93 ohne Voranmeldung teilnehmen. „Mit 30 Jahren ist das Fahrzeug ein Oldtimer, darf das H-Kennzeichen führen. „Markenoffen darf bei uns jeder kommen, egal ob mit dem LKW, PKW oder dem Moped oder Motorrad. Wer kommt, der kommt. Aber wenn voll ist, ist halt voll“, fasst Wirtz zusammen. Je mehr Fahrzeuge da sind, desto interessanter wird es für die Besucher, die nicht ausstellen, sondern nur schauen wollen. „Da wird wieder für die ganze Familie etwas geboten. Das war uns von Anfang an wichtig“, so Wirtz. Die Kinderbelustigung und das gastronomische Angebot gehören dazu und in diesem Jahr „blubbert“ auch der Deutz-Standmotor von 1933 im alten Wasserwerk, wo auch eine Ausstellung der Verbandsgemeindewerke zum 150-Jährigen der Bad Emser Wasserversorgung informiert.

Na, Lust bekommen Günndä, Luise, Marcus und Yannick persönlich kennen zu lernen oder jede Menge „positiv verrückter“ Menschen mit einem Herzen für (ihr) Altblech zu treffen? Dann sehen wir uns – am Samstag, 7. Oktober ab 12 Uhr am alten Wasserwerk in der Bad Emser Wiesbach.