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    Bad Ems | 11. Februar 2023 | (ww). 5.30 Uhr in der Früh am vergangenen Donnerstag in der Notaufnahme der Paracelsus-Klinik auf der Bismarckhöhe in Bad Ems: Christian Elbert steht im Durchgang zur Notaufnahme. Eigentlich kein ungewöhnliches Bild, Christian ist Notfallsanitäter bei der DRK Rettungsdienst Rhein Lahn Westerwald gGmbh mit Sitz in Montabaur – also einer der Jungs (und Mädels), die mit Blaulicht und Martinshorn kommen, wenn es einem von uns so richtig mies geht.

    Christian hat zahllose Stunden, ganze Nächte und sogar so manchen Jahreswechsel in dem Gang, an der Kaffeemaschine, mit dem Personal der Notaufnahme der Paracelsusklinik verbracht. Mehr als sein halbes Leben lang bringt der 43-Jährige im Hauptberuf  Menschen in höchster Not dorthin. Vor allem “Katheter-Notfälle” – da ist die “Para” bislang oft Lebensretter bei Herzinfarkten mit ihrem 24-Stunden-Bereitschaftsdienst. Während der Behandlung, oder eben auch wenn diese mal nicht mehr helfen konnte, entwickelten sich in dem Flur vor der Notaufnahme Freundschaften. Manchmal auch im Rettungswagen davor – denn auch da hat das Notaufnahme-Team der Para schon so manchen Katheter gesetzt und damit wertvolle Sekunden für den Infarktpatienten gespart. Am Rande solcher Situationen sind Retter unter sich, das Gesundheits- und Rettungswesen ist eben viel mehr Berufung als Beruf. “Man versteht sich, lernt sich kennen, erlebt Teile der  Lebensgeschichte jedes Einzelnen, hat oft sogar Anteil daran. Ich glaube wir kennen hier jeden mit Vornamen. Und die Kinder und Partner meistens auch”, erzählt Elbert.

    RLZ vom 12. Januar 2023, Ausschnitt

    Wahrscheinlich nur noch bis Ende März kann der Retter aus Passion (“Ich bin als Quereinsteiger nach dem Zivildienst hängen geblieben”) Patienten in Not – meist aus dem westlichen Rhein-Lahn-Kreis – dort hinbringen. Dann schließt die Paracelsus-Klinik die Pforten, ein paar Praxen bleiben erhalten. Dem Investor warf das “Projekt” offenbar nicht genug ab, das Land Rheinland-Pfalz und sein Gesundheitsminister sehen keinen Bedarf mehr für ein Akutkrankenhaus in Bad Ems. Kryptische Berechnungen sollen der Bevölkerung Sicherheit suggerieren. Der Gesundheitsminister rechnet der Lokalzeitung vor, dass die Fahrzeit nach Montabaur, Dernbach, Remagen, Limburg oder gar Wiesbaden(!) im Schnitt nur 0,6 Minuten länger als bisher dauere (siehe Ausschnitt aus der RLZ vom 12. Januar) – ein (Clemens) Hoch auf diesen Rechenweg! Experten aus der Praxis – die Notärzte im Kreis und eben auch die hauptberuflichen Rettungs- und Notfallsanitäter halten das für gefährliche Augenwischerei.

    Doch darum geht es an diesem Morgen gar nicht. Zumindest nicht direkt. Christian Elbert ist heute “privat” im Gang der Notaufnahme. Heute will er “Danke” sagen. Ein Dankeschön an die Mitarbeiter der Paracelsusklinik, die “die Stange halten”. Denn Christian Elbert hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Er kann sich einfach nicht vorstellen, dass ein System sehenden Auges in die Katastrophe gefahren wird. Woher sollten denn auch plötzlich dann noch dringend nötigere Kollegen und zusätzliche Rettungs- und Krankentransportwagen kommen? Wie sollten sowieso schon vorhandene Kapizitätsprobleme in den Ausweichkliniken bewältigt werden? Die Praxis und der Stellenwert des Rettungswesens und der Akkutversorgung in der rheinland-pfälzischen Gesundheitspolitik geben ihm da wenig Hoffnung. Die Angestellten der Paracelsusklinik dagegen schon. Vor allem die, die trotz reichlicher Stellenangebote in der Umgebung ihren – und damit oft auch “seinen” Patienten noch nicht den Rücken gekehrt haben. “Das ist eben keine Wand die dann noch nicht fertig gestrichen ist und die dann irgendwann jemand anderes fertig streicht. Der Patient ist ein Mensch, der Hilfe und Pflege braucht. Und dafür muss denen gedankt werden, die das sinkende Schiff noch nicht verlassen haben”, findet Elbert. Und deswegen steht ein engagierter, hauptberuflicher Lebensretter im Schichtdienst an seinem freien Tag morgens um 5.30 Uhr im Flur der Notaufnahme und schmiert 200 Brötchen. Auf eigene Rechnung.

    Und damit dankt einer, dem selbst so viel Dank zustehen würde, denen, die die zuständige Landespolitik genauso wenig “auf dem Zettel” hat, wie die Menschen aus der Region, für die der Unterschied zwischen Bad Ems und einem Ersatzkrankenhaus zwischen Wiesbaden und Remagen eben nicht 0,6 statistische Minuten sind, sondern eine Frage des Überlebens.

    Videointerview mit Christian Elbert:

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