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    Müden / Mosel /Region | 12. Dezember 2024 | Willi Willig. Am 26. November wurde Albert Schöpflin, Leiter des Wasserstraßen- und Schifffahrts­amt (WSA) Mosel-Saar-Lahn schon mal in aller Form in den bevorstehenden, wohlverdienten Ruhestand verabschiedet – zum Jahresende endet seine Dienstzeit nach 31 Jahren in der Behörde. Genau elf Tage später kracht ein mit 1500 Tonnen Schrott beladenes Schiff am helllichten Tag „offenbar ungebremst“ in das untere Tor der Schleuse Müden und reißt dabei die beiden rund 40 Tonnen schweren Torflügel aus den Verankerungen. Damit wandelte sich der letzte aktive Monat im Dienst zur größten Herausforderung von Schöpflins gesamter Dienstzeit. Aber auch zur größten Herausforedrung für das gesamte WSA, das jetzt bis zur Lösung des Problems im 24 Stunden-Betrieb arbeitet.

    Der Unfall löste nämlich den „Super-Gau“ für die Mosel-Schifffahrt aus. Denn trotz jahrzehntelanger Planung des Bundes gibt es an den meisten Moselschleusen immer noch nur eine Kammer. Deshalb sitzen seit dem Unfall- nach aktueller Zählung – 72 Schiffe für Monate oberhalb der Schleuse fest. Güterschiffe, Tankschiffe, Hotelschiffe. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass die Reparatur bis Ende März dauern könnte – immer vorausgesetzt es gibt kein Hochwasser, das würde diese ersten Berechnungen nämlich schon wieder völlig zunichtemachen.

    Jetzt reift ein kühner Plan. „Wir wollen ab nächster Woche schleusen, und zwar ohne Schleusentor“, bringt es Schöpflin am 56aktuell-Telefon auf den Punkt. „72 Schiffe“, sagt er, „bedeuten auch nahezu 72 betroffene Binnenschiffer-Familien, möglicherweise 72 bedrohte Existenzen und ebenso viele Schicksale. Wir müssen den Binnenschiffern möglichst schnell wieder freie Fahrt ermöglichen. Und das hätte ich gerne bis zum 31. Dezember erledigt – dann kann ich auch beruhigt in den Ruhestand gehen.“

    Am Telefon zeigt sich schnell: Albert Schöpflin ist definitiv nicht das, was man gewöhnlich auf dem Chefsessel einer Behörde erwartet. Schon gar nicht im letzten aktiven Monat einer so langen Dienstzeit. Der 66-Jährige ist ein „Macher“. Aus allem, was er in dem rund halbstündigen Gespräch schildert, spricht Kompetenz und Konsequenz. Kein einziges Mal entsteht auch nur der Eindruck, ein Dienstweg könne die Zeit zwischen seinem stringentem und zielorientierten Handeln und der Lösung verlängern. Eventuell erklärt sich die Art und Weise, wie Schöpflin an das aktuelle Mega-Problem herangeht aus seinen beruflichen Anfängen. Als Berufsoffizier war er damals für Pipeline-Verlegungen zuständig. Wenn im Krisen- oder Kriegsfall eine Treibstoffleitung gebraucht wird, dann treten Probleme auf dem Lösungsweg auch in den Hintergrund. Und es scheint, als hätte er die damals erlernten Prinzipien auch in der WSA-Führung etabliert. „Sie brauchen jemanden obendrüber, der ihnen den Rücken freihält, dann jemanden mittendrin, der sagt, wie es gemacht wird und natürlich ein gutes Team, das weiß, wie es geht.“

    Albert Schöpflin (links) wurde am 26. November schon mal von seinem Chef Eric Oehlmann, Leiter der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, in den Ruhestand verabschiedet – zum Glück ist er noch bis zum 31. Dezember im Dienst. Foto: WSA

    Im aktuellen Fall greift das System offenbar. „Ich habe freie Hand von der übergeordneten Behörde. Was gebraucht wird, wird besorgt. Wir haben ein erfahrenes Team vor Ort und können jederzeit auf Personal aus anderen Dienststellen zugreifen. Und wir haben eine Plan – der wird ab Montag getestet, dann wissen wir mehr“, lässt sich Schöpflin nur bedingt in die Karten schauen. Auch 56aktuell hatte nach Gesprächen mit Experten über eine theoretische Möglichkeit spekuliert, wie eine „Notschleusung“ funktionieren könnte, um die festsitzenden Schiffe zu befreien. „Ich möchte mich nicht an Spekulationen beteiligen. Wir probieren das ab Montag aus – sollte es funktionieren, wird das auch ab Montag so gemacht. Dann erkläre ich auch, wie wir es machen. Klappt es – wieder Erwarten – nicht, probieren wir etwas anderes“, so Schöpflin erfrischend konsequent.

    Einige der Spekulationen im Netz hat Albert Schöpflin auch gesehen, einige sind im als Behördenleiter auch per Mail oder Telefon zugetragen worden. „Neben zahlreichen Hilfsangeboten auch aus Frankreich und Luxemburg und von großen Industrieunternehmen, auf die ich zurückkomme, wenn wir sie wirklich brauchen sollten, sind auch einige Angebote und Theorien eingetroffen, die eher zum Schmunzeln anregen.“ Allen voran: die vor allem in den sozialen Medien immerwieder gerne getroffene Aussage: In China würde das zwei Tage dauern! „Das Schaffen auch die Chinesen nicht. So eine 40 Tonnen-Spezialanfertigung dauert ihre Zeit. Vor allem, wenn auch die Verankerungen und Aufnahmen vor Ort beschädigt sind“, erklärt Schöpflin. Oder der Vorschlag, die Schiffe mit Rollerbags über Land an der Schleuse vorbeizurollen, ganze Abschnitte der Mosel zu einer großen Schleusenkammer zusammen zu fassen, oder Schleusentore zu spenden“, verrät Schöpflin.

    „Die Idee zu dem Plan, den wir ab Montag testen, kam mir bereits am Unfall-Sonntag. Dann war die Meinung vor Ort zunächst, das gehe nicht. Am Montag wurde der Vorschlag aber wieder aufgegriffen und jetzt werden wir es testen – sowie wir wissen, wie groß die Schäden unterhalb der Wasserlinie sind. Seit Montag wird übrigens auch bereits an einem in Trier lagernden Schleusentor gleichen Typs gearbeitet, um das beschädigte zu ergänzen. „Das ist auch so eine Theorie, die immer wieder im Netz auftaucht. Man kann aber leider nicht irgendein Schleusentor nehmen. Die Unterschiede sind da viel zu groß. Und auch bei dem, das in Trier lagert, müssen aufwändige Anpassungen vorgenommen werden“, so die Erklärung des Chef-Wasserbauers an Mosel, Saar und Lahn.

    Geht nicht, gibt es nicht!  Albert Schöpflin

    Doch auch ernst zu nehmende Vorschläge seien dabei. So zum Beispiel eine Idee aus Luxemburg: eine Pipeline um die Schleuse herum zu legen, Schiffe von jeder Seite an die beschädigte Schleuse anfahren lassen und dann den Inhalt umzupumpen. „Gut 20 Prozent des Luxemburger Treibstoff-Bedarfs kommen über die Mosel. Da liegt eine solche Idee sehr nahe. Ich könnte mir das natürlich sehr gut, auch als zusätzliche Entlastung vorstellen“, knüpft der ehemalige Pipeline-Offizier nochmals an seine berufliche Anfänge an. „Das ist auch nichts anderes als der Heizöl-Tankwagen vor ihrer Haustür. Der pumpt auch sicher um – hier wären nur die Mengen größer. Ich würde unser Grundstück jedenfalls sofort zur Verfügung stellen“, so Schöpflin. Ähnliche Pläne könne es auch für Schüttgut, wie etwa Erz, Sand oder Streusalz geben. Bei Lehmen könnte Schüttgut auf LKW umgeladen werden, oberhalb der Schleuse dann wieder auf eines der festsitzenden Schiffe verladen werden. „Alles, was hilft, den Güterfluss wieder in Gang zu bringen muss auch angedacht und wenn möglich umgesetzt werden. Ein `Geht nicht`, gibt es dabei nicht!“, bringt es Albert Schöpflin auf den Punkt.

    Es scheint, als gäbe es mehr als einen Schimmer Hoffnung am Horizont für die 72 festsitzenden Schiffe oberhalb der Schleuse Müden und die vielen Unternehmen die Rohstoffe brauchen oder großvolumige Produkte befördern müssen. Und es scheint, als wären mit Albert Schöpflin und seinem Team vom WSA glücklicherweise die richtigen Handelnden vor Ort.

    +++update: Nach dem Interview ergaben sich im Laufe des Donnerstags einige Änderungen an der Lage und der daraus folgenden Planung. Hier der aktuelleste Stand aus einer Mitteilung des WSA vom Donnerstag-Abend:

    Am heutigen Donnerstag hat das WSA Mosel-Saar-Lahn in Zusammenarbeit mit der Kranfirma erfolgreich die defekten Torflügel aus der Schleuse Müden geborgen. Die Tore ließen sich nach einigen zusätzlichen Schweißarbeiten problemlos bergen. Anschließend wurden die restlichen Dammbalken zur Trockenlegung des Unterhauptes gesetzt. Damit kann der Untertorbereich leer gepumpt werden. Am Freitag erfolgt die Aufnahme der bisher verborgenen Schäden am Massiv- und Stahlbau durch das WSA und beauftragte Prüfingenieure. Damit kann die Planung der erforderlichen Sanierungsarbeiten beginnen. Am Samstag folgt die weitere Vorbereitung für die Schleusung der oberstrom von Müden an Mosel und Saar „gefangenen“ Fahrzeuge. Hierzu wird voraussichtlich am Wochenende eine Probeschleusung erfolgen, die Aufschluss darüber geben wird, ob das vorgesehene Konzept zur Schleusung der zur Zeit stillliegenden Schifffahrt erfolgreich durchgeführt werden kann. Wenn die erforderlichen Vorbereitungen und der Test erfolgreich beendet worden sind, könnte ab Montag das erste Schiff geschleust werden. Die Reihenfolge der zu schleusenden Schiffe wird durch das WSA festgelegt. Das WSA wird dazu Kontakt zu jedem Schiff aufnehmen. Parallel zu diesen Tätigkeiten erfolgt die Ausrüstung der Ersatztore durch die Bauhöfe Trier und Koblenz.

    Quelle: Interview 56aktuell und PM WSA

    Bildquelle: WSA

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