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überörtliche Hilfe

    Region | 18. Mai 2024 | (ww). Bereits seit Tagen waren für das Pfingstwochenende starke Regenfälle angekündigt, vor lokalen Überflutungen wurde, als das Bild etwas klarer wurde, vor allem im Südwesten von Rheinland-Pfalz und im Saarland, aber auch im benachbarten Teil Frankreichs gewarnt. Gestern traf die Vorhersage dann auch ein. Besonders betroffen: das Saarland und später auch die Region Trier. Es kam in zahlreichen Orten zu starken Überflutungen. Saar,  Mosel, Ruwer und zahlreiche Nebenflüsse und Bäche traten über die Ufer. Hunderte von Einsätzen hielten Feuerwehren, THW und private Helfer in Atem.

    Das Bild zeigt eine Hochleistungspumpe des THW im Katastropheneinsatz.

    Die „Börger 25tausend“ im Wald bei Merzig.

    Bereits am späten Nachmittag des Freitags wurden zahlreiche Ortsverbände des Technischen Hilfswerks (THW), auch aus dem 56aktuell-Land (den zehn nördlichen Landkreisen in Rheinland-Pfalz mit der Postleitzahl 56xxx), zu Hilfe gerufen. Für einen Großschadens- oder Katastrophenfall liegt das geradezu auf der Hand: die technische HIlfsorganisation des Bundes ist in unserer Großregion länderübegreifend für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland zu einem Verband zusammengefasst. Ganz besonders gefragt in Situationen wie dieser: die Fachgruppen Wasserschaden / Pumpen. Entlang der immer mal wieder hochwasserführenden Flüsse sind solche Facheinheiten stationiert, unter anderem im Lahnsteiner Ortsteil Friedrichssegen. Das Friedrichssegener Team unter der Leitung von Stephan Heinz verfügt dabei aber noch über ein ganz besonders gefragtes Gerät: „die Börger 25tausend“ – eine autarke Hochleistungspumpe, also inklusive Stromversorgung, auf einem Anhänger, die in der Lage ist 25.000 Liter Wasser in der Minute (!) durch 20 Zentimeter mächtige Rohrleitungen zu pumpen. Im gesamten (Drei-Länder-)Landesverband gibt es ein solches Gerät nur ein einziges Mal, in ganz Deutschland gibt es bislang ganze acht Stück davon. Genau das wurde gestern bei Merzig gebraucht. Gerade in der katastrophalen Lage hatte eine Pumpe in einem wichtigen Pumpwerk den Geist aufgegeben, in dem gerade bei solchen Starkregen-Ereignissen Wasser aus dem Seffersbach in die Saar gepumpt werden muss, damit die unterhalb liegenden Gemeinden am Bach nicht überflutet werden.

     

    Um 18.20 Uhr am Freitag rückte das acht Mann starke Team aus Friedrichssegen ab, und bereits ab 23.30 Uhr pumpte Zugführer Dominique Laros mit seinem Team und „der Börger“ etwas mehr als 22.000 Liter pro Minute (nicht ganz Maximalleistung aufgrund Schlauchlänge und Höhenunterschied) aus dem Bach bei Merzig in die Saar. Gestern Nachmittag gegen 15 Uhr hatte 56aktuell die Gelegenheit Laros im Einsatz ans Telefon zu bekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die „Blauen Engel aus Lahnstein“  schon bereits mehr als 20 Millionen Liter Wasser abgepumpt, was in etwa 133.000 Standard-Badewannenfüllungen entspricht. Neben „der Börger“ haben die ehrenamtlichen Spezialisten aber auch noch mehrere Elektropumpen im Gepäck, die zusammen auch nochmal 35.000 Liter /Minute schaffen. Diese wurden zunächst in einem Nachbarort von Merzig eingesetzt um diverse Einrichtungen vor der Überflutung zu schützen oder wieder leer zu pumpen. Am späten Nachmittag des Freitags verlegte das Friedrichssegener Team nach erfolgreicher Reparatur der stationären Pumpe „in Richtung Saarbrücken“, zu tun gibt es für die Spezialisten im Saarland aktuell genug – sie sind auf einen Aufenthalt bis Montag eingerichtet.

    Der noch personal- und materialintensivere Teil der Hilfe heißt offiziell „geplante überörtliche Hilfe“ und umfasst vier Löschzüge und einen Logistikzug sowie DRK-Einheiten aus den vier Landkreisen (Neuwied / Altenkirchen /Westerwald und Rhein-Lahn) des Leitstellenbereichs Montabaur.  Unter der Führung von Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) Guido Erler aus dem Rhein-Lahn-Kreis wurden in der Nacht etwas mehr als 30 Fahrzeuge und insgesamt 150 Einsatzkräfte in das Gebiet verlegt. Ab kurz nach Mitternacht liefen die Alarmierungen der Führungsebene, zwischen 1 Uhr und 1.30 Uhr piepsten auch die Melder der Ehrenamtler in den vier Landkreisen. Dann hieß es zunächst im Landkreis sammeln, um sich um 4 Uhr am Samstagmorgen zur Abfahrt der gesamten Leitstellenbereitschaft im Industriegebiet Neuwied zu treffen. Gefahren wurde in der Kolonne, Blaulicht und Flaggen zeigen an, was eigentlich jeder aus der Fahrschulzeit noch wissen müsste: die knapp mehr als 30 Fahrzeuge gelten als ein Einziges.

    Seine Premiere hatte der Leistellenverband übrigens am späten Abend des 14. Juli 2021: Kurz vor dem Scheitelpunkt der Flut erreichte der noch junge Verband damals zur „überörtlichen Hilfe“ Bad Neuenahr-Ahrweiler und wurde dann bereits wenige Minuten nach dem Eintreffen von einem Einsatz zum nächsten beordert. Unter anderem gehörten Teile der Leitstellenbereitschaft damals zu den ersten Kräften, die das Wohnheim der Lebenshilfe in Sinzig, in dem leider zwölf Menschen ertranken, erreichten. Die schlimmen Bilder, auch der darauf folgenden Tage, gingen wohl auch einigen der Einsatzkräfte bei der Fahrt ins aktuelle Einsatzgebiet wieder durch den Kopf. Trotzdem ist es keine Frage für sie: wenn Hilfe gebraucht wird, dann kommen sie. Dafür sind sie schließlich „dabei“.

    Doch zurück zur Verlegung in den aktuellen Einsatz. „Die Strecke war durch den hohen Anteil an Autobahnkilometern sehr kolonnenfreundlich“, erzählt Pressesprecher Tim Wessel aus dem Landkreis Neuwied am Samstag am 56aktuell-Telefon. Gegen 7.30 Uhr erreichte der Verband seinen Sammelraum bei Mehring in der Nähe von Trier.  Die ersten Gespräche und Erkundungen des Vorauskommandos hatten ergeben: zu tun gibt es genug. Und mit der Einsatzregion Riveris und der dort befindlichen Talsperre haben die ehrenamtlichen Helfer auch eines der stärker betroffenen Gebiete der Region „erwischt“. Wie lange die Kräfte im Einsatz beiben werden, ist zu diesem Zeitpunkt allerdings noch absolut offen. Bedenken muss man allerdings bei der Lektüre dieses Artikels, dass alle Einsatzkräfte bereits einen „normalen“ Arbeits-Freitag hinter sich hatten, oft den Übungsdienst am „klassischen Übungstag“ absolviert und dann in den Einsatz gerufen wurden. Bis zum Eintreffen im Einsatzgebiet – und damit erst dem Beginn der fordernden Hilfe vor Ort – haben die Meisten also schon locker 24 Stunden „auf dem Buckel“.

    Das Bild zeigt ein Fahrzeug der Feuer im Pumpbetrieb beim Hochwassereinsatz.

    Einsatzkräfte der Leitstellenbereitschaft an einer der Einsatzstellen in der Region Trier.

    Der Verband hat seine eigene Verpflegungseinheit mit Küche dabei. Die Schnelleinsatzgruppe des DRK-Altenkirchen stellt diese Komponente, auch ein Rettungswagen des DRK und Sanitäter zur Eigensicherung sind dabei. Übernachtungen sind  eigentlich nicht Teil der Planung, das Einsatzkonzept sieht vor, die Mannschaft bei längerem Hilfsbedarf durch frische Kräfte zu ersetzen. Sehr unterschiedliche Einsatzbilder erwarten die Helfer vor Ort. Sie erleben reissende Ströme die 24 Stunden zuvor noch kleine Bäche oder auch nur Rinnsale waren, überflutete Keller und Erdgeschosse, Kläranlagen, die vor dem Überlaufen stehen und immer noch kommen Meldungen über steigende Pegel. Einsätze zur direkten Menschenrettung gibt es nicht, wohl auch, weil eindringlich, ausreichend und gut gewarnt wurde. Die Helfer pumpen zahlreiche Keller, Gebäude, Betriebe und Senken leer, befüllen im Akkord Sandsäcke und errichten damit Sperren und Behelfsdämme. Sie „retten“ das Klärwerk Ruwertal und helfen die Riveristalsperre zu halten, beziehungsweise den Ort Riveris unterhalb der Talsperre vor dem Schlimmste zu schützen und bewahren Gebäude und Einrichtungen eines Energieversorgers vor der Überflutung.

    Gegen 17 Uhr am Samstag steht fest, dass der Einsatz am Folgetag definitiv fortgesetzt werden muss. Die Entscheidung: 18 Uhr verdientes Abendessen, ab 19 Uhr geht es für die Mannschaft zurück in die Heimatkreise, eine frische Mannschaft übernimmt am Sonntagmorgen die Fahrzeuge und Einsätze im Kreis Trier-Saarburg. Nach damit für die meisten Beteiligten rund 36 Stunden auf den Beinen, geht es zurück in die Heimatkreise, nicht in der Kolonne, sondern mit 9-Sitzern (MTW /MTF) in Einzelfahrt. Die Großfahrzeuge und die Küche bleiben vor Ort, die „Sanis“ übernehmen auch noch die Nachtwache und bereiten die Gundlage für einen erfolgreichen Einsatz am nächsten Tag vor – ein kräftiges Frühstück für die frischen Einsatzkräfte.

    Kurzer Schwenk nochmal zum THW-Team aus Friedrichssegen: um kurz nach 2 Uhr heute Nacht meldet sich THW-Zugführer Dominique Laros nochmal am 56aktuell-Telefon. „Die Blauen“ sind, nachdem die stationäre Pumpe im Pumpwerk bei Merzig wieder lief, inzwischen nach Blieskastel – zwischen Homburg und Saarbrücken – beordert worden. Die schnell steigende Blies hat dort Teile der Altstadt mit ihrer barocken Architektur überflutet, eilig errichtete Sandsackdämme wurden bereits überspült.  Seit 22 Uhr „brummt die Börger“ wieder und bereits in ihrer ersten Betriebsstunde gelang es den Überflutungspegel in der Altstadt um ganze vier Zentimeter zu senken. Klingt neutral betrachtet eventuell wenig, ist aber auf die Fläche gesehen und im Bezug auf das Schadensausmaß eine weitere Mega-Leistung.

     

     

     

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