Müden | 11. Dezember 2024 | (ww). Am vergangenen Sonntag ist ein mit 1500 Tonnen Schrott beladenes Schiff aus bislang ungeklärter Ursache „nahezu ungebremst“ in das Untertor der Schleuse Müden gekracht. Möglicherweise könnte ein technischer Defekt zu dem Unfall geführt haben, das muss allerdings weiter untersucht werden. Die beiden rund 40 Tonnen schweren Untertor-Flügel wurden bei dem Aufprall aus den Verankerungen gerissen, die Tore ungefähr zwei Meter in die Schleusenkammer gedrückt. Gestern wurden mit einem Mobilkran acht jeweils vier Tonnen schwere Dammtor-Platten eingehoben, damit die 170-Meter lange Schleusenkammer leergepumpt und der bislang unter der Wasserlinie liegende Schaden an den Toren und der Schleusenkammer begutachtet werden kann. Heute will der Krisenstab auch über Möglichkeiten sprechen, wie die rund 70 nach derzeitigem Stand bis März oberhalb der Schleuse festsitzenden Schiffe „befreit“ werden können.
Neben den beiden zerstörten Torflügeln bilden die Beschädigungen an den Tornischen mit den daneben sitzenden Verankerungen der Torflügel das größte Problem. Auf Grund des Schadensbildes wird momentan davon ausgegangen, dass durch die massive Stoßeinwirkung alle Verankerungen ihre maximale Last deutlich überschritten haben. Auch an den Betonkanten mit teilweisen Verformungen der Holme müssen Betonarbeiten durchgeführt werden. Für die Torflügel selbst wird aktuell geprüft, ob ein andernorts lagerndes Ersatztor hergerichtet und verwendet werden kann. Sollte dies nutzbar sein, würden allerdings auf jeden Fall notwendige Anpassungen des Tores auch bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen. Für viele andere Teile ist kein Ersatz vorhanden und deshalb müssen sie schnellstmöglich neu hergestellt werden.
Weitere Vorgehensweise
Aktuell sieht die weitere Planung vor, dass noch im Laufe dieser Woche, geplant am Donnerstag-Mittag, beide beschädigte Torflügel ausgehoben werden sollen. Erst wenn die Kammer trockengelegt und die Schäden unterhalb des jetzigen Wasserspiegels bekannt sind, kann die weitere Vorgehensweise zum Herausheben der jeweils rund 40 Tonnen schweren Torflügel festgelegt werden. Für das Herausheben der Torflügel selbst wird heute ein noch größerer Autodrehkran vor Ort erwartet.
Betroffene Schifffahrt
Neben den technischen Herausforderungen zur schnellstmöglichen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Schleuse, bereiten vor allem die oberhalb Müden auf Mosel und Saar festliegenden 70 Güter-, Tank- und Hotelschiffe dem WSA große Sorgen. Längere Ausfallzeiten für die Güter- und Fahrgastschifffahrt sorgen für enorme wirtschaftliche Belastungen. Deshalb sucht das WSA mit Hochdruck nach einer Lösung, die „gefangenen“ Schiffe in das Unterwasser von Müden zu schleusen, damit diese die Mosel in Richtung Rhein verlassen und dort andere Transporte durchführen können.
Ob dies funktionieren kann, wird am heutigen Mittwoch besprochen. Die Schifffahrt wurde deshalb gebeten auf ihren aktuellen Liegeplätzen zu bleiben. Einzige Möglichkeit dafür wäre nach 56aktuell-Gesprächen mit Experten ein Notschleusenbetrieb unter Verwendung der Dammtorplatten. Dazu müssten die Platten immerwieder für einen Schleusenvorgang mit einem Kran eingesetzt und die Schleusenkammer anschließend gefüllt werden. Dann würde ein Schiff einfahren, die Schleusenkammer leergepumpt werden und die Dammtorplatten nacheinander und einzeln wieder ausgehoben werden. Neben dem Kran ist dazu aber auch ein Tauchereinsatz erforderlich, unter Wasser muss praktisch bei Nullsicht der korrekte Sitz der Platten überprüft werden. Das Problem: das Prozedere würde zum ersten Mal überhaupt gemacht. Und: der Dammtorwall ist statisch dafür ausgelegt Wasserdruck von außen abzuhalten. Bei der oben geschilderten Notschleusung müsste das Dammtor den aber auch in die andere Richtung aushalten. Fragen, mit denen sich heute Krisenstab und Experten beschäftigen müssen. Alle Beteiligten vor Ort bezeichnen den Unfall, die Schäden und die Folgen für die Moselschifffahrt als „noch nie dagewesen“.
Verkehrsweg Mosel
Die Mosel selbst ist eine der wichtigsten Transportwege für die Schifffahrt in Deutschland und Europa. Bisher wurden in diesem Jahr durch die Schleuse Müden bereits ca. 8,1 Mio. Gütertonnen transportiert. Das entspricht rund 25 tausen-Tonnen oder etwa 1000 Dreiachser-LKW-Ladungen pro Tag. Übrigens wurden von der Gesamttonnage rund 4,6 Mio. zu Berg, also Richtung Frankreich und 3,5 Mio. zu Tal, also Richtung Rhein, bewegt. Der Hauptanteil der transportierten Mengen sind Erze, Metallabfälle, Mineralerzeugnisse und Brennstoffe zu Berg, sowie land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Eisen und Stahlprodukte zu Tal. Für einen Großteil der transportierten Güter ist die Mosel zwischen Koblenz und Trier eine Transitstrecke, je nach Richtung mit den Start- und Zielhäfen in Frankreich. Bis zu 3 Mio. Gütertonnen sind davon auch auf der Saar unterwegs. Neben vielen Kleinfahrzeugen wurden in 2024 an der Schleuse Müden bisher rund 7.000 Fahrzeug der Großschifffahrt geschleust. Darunter auch über 350 Fahrgastkabinenschiffe. Diese Zahlen belegen, wie wichtig die Mosel als Transportweg und Erholungsraum ist und damit einen enorm großen Wirtschaftsfaktor bildet. Die Zahlen machen aber auch sehr deutlich, welche Auswirkungen der Unfall hat.
Quelle: Recherche vor Ort / PM WSA