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    Koblenz | 13. Januar 2024 | (ww).  Den Betrieben wieder mehr Selbstverantwortung zurückgeben und dem Trend zur Unselbstständigkeit entgegenwirken – das waren zwei zentrale Punkte aus der Begrüßungsrede von Kurt Krautscheid, Präsident der Handwerkskammer (HwK) Koblenz, zum Neujahrsempfang mit insgesamt 600 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft im Zentrum für Ernährung und Gesundheit. Mit bewusst politisch gesetzten Schwerpunkten hat sich die Kammer klar positioniert – mit Blick auf nationale wie auch internationale Entwicklungen und Ereignisse. Dazu passend wurde ein Polit-Talk mit Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt und dem Europaparlamentarier Ralf Seekatz als neues Format präsentiert. Kurzweilig, interessant und auch unterhaltsam gingen beide im Jahr der Europawahlen auf die Fragen von Kurt Krautscheid ein.

    Zuvor skizzierte Krautscheid einen Ist-Zustand des Handwerks im Kammerbezirk und forderte deutlich mehr Eigenverantwortung in den Handlungsspielräumen der Betriebe. „Für jeden Handgriff gibt es inzwischen eine Vorschrift und damit verbunden ist auch eine Verlagerung von Verantwortung.“ Eine deutliche Entbürokratisierung sei das Gebot der Stunde, „doch hier schwindet zunehmend das Vertrauen der Unternehmen in die Politik!“

    Krautscheid stellte einen direkten Zusammenhang zwischen diesen negativen Rahmenbedingungen und dem Trend zur Unselbstständigkeit her. „Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland liegt mit 46,1 Mio. auf Rekordniveau. Parallel gibt es immer weniger Selbstständige. Was kaum verwundert, denn die Betriebsinhaber von morgen sind die Mitarbeiter von heute und die wissen aufgrund ihrer alltäglichen Erfahrungen sehr genau, was da auf sie zukommt.“

    Dass es sich lohnt, eine eigene handwerkliche Existenz aufzubauen, machen die aktuellen Konjunkturdaten deutlich. „85 Prozent unserer Mitgliedsbetriebe informieren über eine gute oder befriedigende Geschäftslage. Auch die Prognosen für die weitere Entwicklung in diesem Jahr liegen deutlich im Plus!“ Insofern sind die Vorzeichen für das Jahr 2024 aus Sicht des Regionalhandwerks durchaus positiv, „auch wenn das leider nicht für alle Berufe gilt.“

    Krautscheid unterstrich auch eine „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Politik und wir sehen deren demokratische Vertreter als Partner. Doch wir sind selbst sind keine Partei und wahren Neutralität. Die Straße verstehen wir nicht als politisches Werkzeug einer Handwerksorganisation. Auch Fähranleger und deren Blockade scheiden als Variante einer Interessensdurchsetzung aus.“ Nachdenklich machen ihn aber eine überzogene und zu einseitige Reaktion des politischen Lagers im Umgang mit Kritik. Abweichende Meinungen, Widerspruch und Proteste werden zu pauschal mit rechten, populistischen Tendenzen gleichgesetzt und als Feinde der Demokratie bezeichnet. „Ich denke nicht, dass die Fährblockade mit einem Umsturzversuch gleichzusetzen ist.“ Mit Blick auf politische Wahrnehmungen durch die breite Öffentlichkeit sorgen solche Vergleiche für „Unglaubwürdigkeit und auch Distanz zur einen Seite. Der anderen kommt das – zwangsläufig – entgegen.“ Und: „Die großen Stärken unserer Demokratie sind das freie Wahlrecht, die Möglichkeit auf Äußerung von Meinungen, der politische Diskurs. Letztendlich entscheiden die Wähler, wer regiert. Das ist kein Wunschkonzert der Parteien, die genügend Möglichkeiten Tag für Tag haben, sich zu positionieren und zu profilieren.“ Das gilt es auch mit Blick auf die Europawahlen im Juni wie auch die Landtagswahlen im Herbst zu berücksichtigen.

    „Ja zu Europa!“ sagen im Jahr der Europawahl (vordere Reihe von links nach rechts) HwK-Präsident Kurt Krautscheid, Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt, EU-Abgeordneter Ralf Seekatz und HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich zusammen mit 600 Gästen des HwK-Neujahrsempfanges.

    Im Vorfeld der Europawahlen stellt sich das Handwerk deutlich hinter den europäischen Gedanken und sagt „Ja zu Europa!“. Optisch wurde das durch die Gäste des Empfanges über hochgehaltene Karten unterstrichen, inhaltlich war es auch das Thema einer Podiumsdiskussion mit Ralf Seekatz, Mitglied des Europäischen Parlaments. Zusammen mit Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt stellte er sich den Fragen von Kammerpräsident Kurt Krautscheid.

    „Wir müssen uns die Bedeutung Europas für alle Lebensbereiche klar machen, denn das steht für Freizügigkeit – von der Wirtschaft bis in den privaten Bereich.“ Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Lage seien das Werte, die sehr hoch einzuordnen seien. Die Rahmenbedingungen nur abzuklopfen auf der Suche nach kritischen oder schwierigen Ansätzen sei falsch, „sondern machen wir uns klar, was uns Europa an Positivem bietet, was es im Kern ausmacht.“ Angesprochen auf die Fachkräftesituation warb Schmitt für das Handwerk als attraktiven Wirtschaftsbereich und forderte mehr Wertschätzung für das Handwerk. Zuwanderung spiele hierbei durchaus eine wichtige Rolle und auch hier habe das Handwerk frühzeitig Chancen erkannt und resolut genutzt.

    Ralf Seekatz beantwortete die Frage nach beschleunigtem Bürokratieabbau aus Sicht des Europapolitikers mit starker Verankerung in der Region: „Mein Bruder und mein Vater sind Handwerker und ich weiß so sehr genau, was los ist im Handwerk, was aber auch seitens der EU verabschiedet wird. Deutschland legt im Erfüllen von EU-Vorgaben immer noch eine Schippe drauf!“ So lehnt er ein EU-Gesetz zur Gebäudeenergie ab und stellt klar, dass es dafür auch keinen Sanierungsfond geben wird. Ein effektiver Bürokratieabbau ließe sich nur nach dem Motto „one in, one out“ erreichen. „Für jede neue Richtlinie muss eine alte gestrichen werden. Doch davon sind wir noch weit entfernt“.

    Die Veranstaltung wurde musikalisch begleitet durch die Violinistin Anna Gold. Und auch eine jahrelange Tradition wurde durch die „Glücks-Innung“ um Obermeister Schornsteinfegermeister Florian Klein bei diesem Neujahrsempfang fortgesetzt: alle Gäste erhielten einen 24-karätig vergoldeten Talisman.

    Quelle: PM HWK Koblenz

    Bildquelle: Klaus Herzmann

     

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